Radio Essen: Nachteile der Social Media - Sucht, Mobbing und gefährliche Gruppen

Im April haben wir bei Radio Essen alles gesucht, was die sozialen Netzwerke spannend macht - Kontakte, Hobbys, Vernetzung und Spaß. Aber das kann auch große Nachteile und Probleme bringen. Social-Media-Sucht tritt immer häufiger auf, WhatsApp-Gruppen können gefährlich werden und viele Jugendliche kämpfen mit Cybermobbing. Das war auch Thema am Social-Media-Sonntag bei Radio Essen, am 16. Mai mit Moderatorin Larissa Schmitz.

Nachteile der Social Media in der Sendung bei Radio Essen
© Radio Essen

Nachteil 1: Fake News und fehlendes Vertrauen

Facebook, Instagram und Co. werden von vielen Expert:innen sehr geschätzt, weil sie in Krisenfällen helfen können, als schnelle Kommunikationsmöglichkeit. Aber in Zeiten von Fake News und allgemeiner Skepsis gegenüber Politik und Medien, vertrauen wir dann wirklich mal eben, was wir in den Netzwerken lesen? Vor allem dann, wenn uns dort jemand Anweisungen gibt, wenn es z.B. heißt: Raus aus den Wohnungen, weil Chemieunfall oder sowas? Prof. Dr. Stefan Stieglitz forscht unter anderem an solcher Kommunikation in den Netzwerken an der Uni Duisburg Essen und sagt - genau das Vertrauen ist problematisch. Die User:innen können nicht wissen, was sind vielleicht Trolle oder Postings von Social Bots und was sind wahre Inhalte von Personen und Institutionen. Es fehlt der Blick hinter das Profil, um Fake von Echt zu unterscheiden.

Deswegen sollte jeder von uns lernen, wie wir mit Infos in den Netzwerken umgehen und die auch gegen checken können. Im Bestfall passiert das schon in der Schule und von den Eltern, Quellen solltet Ihr immer hinterfragen. Das ist wichtig, weil jeder von uns ja einfach irgendetwas posten kann in den Social Media.

Außerdem sind die Netzwerke nicht für soziale Zwecke erfunden worden. Das ist oft nur zweitrangig, auch, wenn das kaum ein Plattformbetreiber zugeben würde. Die Netzwerke sind mit kommerziellem Fokus gegründet worden, es geht um Werbung und damit verbundene Einnahmen, wirtschaftliche Ziele. Das macht den Umgang mit den Social Media und manch rechtlichem Aspekt etwas schwieriger.

Nachteil 2: Gruppen-Druck und Cybermobbing

Prof. Dr. Stefan Stieglitz sieht die Social Media potentiell nicht als gefährlich an. Dass wir irgendwann nur noch online leben und alles auf die Netzwerke ausrichten, glaubt er nicht. Aber er hält besonders geschlossene Gruppen online für fatal - sei es bei WhatsApp, bei Telegram oder Facebook-Gruppen. Die sind nicht einsehbar, auch nur schwer für die Plattformbetreiber, die dort im Zweifel bei Hassrede oder extremen Mobbing nur schwer eingreifen können. Daher ist die Gefahr groß, dass solche Gruppen missbraucht werden, um sich zu mobilisieren und Falschmeldungen zu kanalisieren. Das hat sich in der Corona-Pandemie vor allem in dem Netzwerk Telegram gezeigt.

Die Gruppen bieten auch oft viel Platz für Cybermobbing. Das fängt schon bei Jugendlichen an, wenn die ganze Klasse in einer WhatsApp-Gruppe ist, nur einer oder eine nicht und dann gelästert wird. Oder es werden Bilder geteilt und mit fiesen Kommentaren untermauert. Kinder und Jugendliche wissen sich dann oft nicht zu helfen, können aber dadurch unter schwerem psychischen Druck leiden.

Wenn Ihr selbst Opfer von Cybermobbing werdet oder es bei jemandem beobachtet, ist das Wichtigste und Vernünftigste erst mal nicht mitzumachen. Am besten antwortet Ihr sachlich oder mit rechtlicher Grundlage, das kann die Lage möglicherweise schon entschärfen. Da könnt Ihr zum Beispiel Bildrechte oder den Strafbestand bei Beleidigungen anbringen. Hilfe und eine anonyme Beratung oder Einschätzung gibt es bei der Nummer gegen Kummer unter 0201 265050 oder der 0800 1110333. Außerdem gibt es viele Tipps auf Seiten wie klicksafe. Hier in Essen hilft das Jugendamt bei Cybermobbing und an einigen Schulen auch die Medienscouts.

Mehr zum Thema Cybermobbing, was Ihr dagegen tun könnt und wie Ihr damit umgeht, gibt es hier.

Nachteil 3: Social-Media-Sucht und immer online

Noch vor zwei Jahren hieß es: 500.000 Menschen bei uns in Deutschland sind Internet-süchtig. Ein Fünftel davon sind Kinder und Jugendliche, die süchtig nach Social Media sind. Jetzt sind es schon über 270.000 Kinder und Jugendliche in Deutschland, die eine Social-Media bezogene Störung haben und bei vielen ist das auch schon eine Art Suchtverhalten. Ständig den Drang zu haben, online sein zu müssen, etwas verpassen zu können, nicht mehr zu wissen, wie das Leben auch ohne ständiges Flimmern vor den Augen aussehen kann. Ein großer Nachteil der sozialen Netzwerke, der immer mehr zunimmt.

In Bochum wird die Online-Sucht behandelt, an der LWL Uniklinik für Psychosomatik. Dr. Jan Dieris-Hirche ist da Oberarzt und sagt, dass zur Sucht oft auch negative Erlebnisse im Umfeld führen. Mobbing kann solche Auswirkung haben oder andere schlimme Erfahrungen. Dann seien wir anfälliger uns in den Netzwerken zu verlieren, weil wir uns dann auch darüber profilieren.

Gefährlich wird es aber erst dann, wenn Ihr merkt, Ihr könnt Euch gar nicht mehr konzentrieren, denkt dauernd an Facebook, Instagram, hängt dauernd bei WhatsApp und verliert Euren Alltag darüber. Dann habt Ihr vermutlich ein Problem. Das Therapie-Programm in Bochum findet sogar erstmal genau an betroffener Stelle statt, im Netz. Es gibt per Webcam erste Gespräche, später aber auch Gruppentherapien. Ihr lernt dabei, wie Ihr von den Social Media loskommt, obwohl die Netzwerke ja auch im beruflichen Alltag eine große Rolle spielen können. Da geht es vor allem darum, sich Regeln zu setzen und zu lernen, wie Ihr mit den Social Media wieder einen entlastenderen Alltag leben könnt.

Mehr zu dem Therapieprogramm OASIS hört Ihr hier im Radio Essen-Interview mit Dr. Jan Dieris-Hirche.

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Nachteil 4: Oft Streit um Rechtslage

Kein schönes Thema, aber wichtig, wenn wir bedenken, wie viel mittlerweile online stattfindet. Was passiert eigentlich mit unseren Daten und Profilen, wenn wir sterben? Im Grunde würden unsere Bilder und Postings und Videos weiter im Netz herumschwirren. Das kann dem ein oder anderen als eine Art Fotoalbum oder Andenken gefallen, wenn aber auch jeder fröhlich weiter an unsere Pinnwand posten kann und da hat keiner mehr ein Auge drauf, dann kann das auch sehr unangenehm werden, gerade für Angehörige. So erzählt es Bestatterin Simone Farwick aus Überruhr von ihren Beratungen von Angehörigen.

Anwälte raten deshalb dazu, dass Ihr Euren digitalen Nachlass festlegt. Bestimmt einen Erben oder eine Erbin. Der oder die kümmert sich dann um Eure Accounts, kann diese zum Beispiel löschen oder löschen lassen und bekommt auch Eure Zugänge. Dazu schreibt Ihr jetzt aber nicht alle Passwörter ins Testament, aber Ihr solltet sie irgendwo sicher hinterlegen, zum Beispiel auf einem verschlüsselten USB-Stick. Das Masterpasswort für den Stick bewahrt Ihr sicher auf oder gebt es einem Notar und im Testament hinterlasst Ihr einen Hinweis darauf.

Das ist vor allem bei Facebook hilfreich. Bekommt Facebook nämlich von Eurem Tod mit, dann wird Euer Account eingefroren und niemand kann dort mehr etwas posten oder aktiv werden. Erst ein Rechtsstreit vor einigen Jahren hat dazu geführt, dass die direkten Erben von Facebook den Zugang bekommen müssen, wenn diese das Passwort nicht wissen. Sie dürfen den Account dann nicht mehr aktiv betreiben, können aber z.B. Kommentare löschen oder den Account auch löschen lassen.

Seit dem gibt es auch die Möglichkeit einen Nachlasskontakt bei Facebook einzustellen. Das muss ein anderer Facebook-User sein, der kann dann nach Eurem Tod Euer Profil verwalten.

Hier findet Ihr eine Beschreibung, wie Ihr den Nachlasskontakt bei Facebook einrichtet.

Mehr zum Social-Media-Sonntag bei Radio Essen

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