Essen im Netz: Meinungsfreiheit vs. Meinungsmache - Was dürfen wir in Social Media und was nicht?

Auch wir hier in Essen zeigen in den sozialen Netzwerken oftmals eine sehr unschöne Seite von uns. Viele Kommentare bei Facebook und Co. haben jede Hemmung verloren, strotzen vor Unhöflichkeit und nicht selten sind auch harte Beleidigungen im Spiel. Immer ganz vorne mit dabei: Die Diskussion zwischen Meinungsfreiheit und Meinungsmache im Netz. Was dürfen wir in Social Media und was nicht? Das war auch Thema am Social-Media-Sonntag bei Radio Essen, am 21. März mit Larissa Schmitz.

Meinungen in Social Media: Thema bei Radio Essen

Rechtsanwalt in Essen: Meinungsfreiheit hat auch Schranken

Verfolgen wir in den Social Media regelmäßig Kommentare unter Beiträgen, stellen wir fest, dass häufig jede Höflichkeit über Bord geworfen wurde, einfach frei Schnauze geschrieben wird, oft auch schnell Beleidigungen fallen oder regelrechte Hasskommentare. Vieles davon kann schnell rechtliche Probleme nach sich ziehen. Auch, wenn viele dieser User:innen oft der Meinung sind, dass die Meinungsfreiheit ihnen das Recht gebe, genauso zu kommentieren und das zu schreiben, was sie denken. Doch genau hier gibt es einen Trugschluss, erklärt der Essener Rechtsanwalt Sinan Akcakaya von der Kanzlei Delgmann & Partner im Interview mit Radio Essen.

Die Meinungsfreiheit ist klar geregelt im Artikel 5 des Grundgesetzes und besagt, dass wir unsere Meinung frei äußern dürfen, ob in Wort oder in Schrift. Das bedeutet aber nicht, dass wir alles sagen dürfen, was wir wollen, sagt der Anwalt. Das gilt nur, solange wir uns im gesetzlichen Rahmen dabei bewegen und dabei niemanden beleidigen oder übel nachreden.

Kommentiert Ihr also in den Netzwerken und schreibt: "Ich finde, da hast du aber eine blöde Meinung." Dann ist das völlig in Ordnung. Schreibt Ihr aber: "Du bist blöd", dann ist das schon eine Beleidigung und kann im Extremfall rechtlich angefochten werden.

© Radio Essen

Wie müssen soziale Netzwerke in Kommentare eingreifen?

Die sozialen Netzwerke sind Plattform-Betreiber und daher verpflichtet, dass in dem Raum, den sie für den Austausch zur Verfügung stellen, keine rechtswidrigen Inhalte im Umlauf sind. Diese müssen sie löschen. Seit 2019 hat der Europäische Gerichtshof aber vor allem für Facebook entschieden, dass die Plattform auch aktiv nach solchen Inhalten suchen muss, um sie dann zu löschen. Das geht zum Beispiel über bestimmte Upload-Filter oder aber entsprechendes Personal. Dazu gibt es auch in Essen ein Facebook-Löschzentrum mit mehreren Hundert Mitarbeiter:innen, die im Westviertel nichts anderes tun.

Unternehmen, die eine Fanpage betreiben, sind dazu allerdings nur bedingt verpflichtet, sagt der Rechtsanwalt Akcakaya. Im Grunde müssen diese nur dann Kommentare löschen, wenn sie explizit darauf aufmerksam gemacht werden. Zum Beispiel durch einen User oder eine Userin, die sich von Kommentaren beleidigt oder diffamiert fühlt.

Social Media weckt eine zweite Persönlichkeit?

Social Media sind für manche Menschen eine miese Falle, die bestimmtes Verhalten beeinflusst und verstärkt. Dabei können die Netzwerke an sich, nichts dafür. Man könnte aber fast meinen, dass in uns eine zweite Persönlichkeit schlummert, die nur online zum Vorschein kommt. Das ist natürlich nicht wirklich so, aber viele sozial-psychologische Studien erklären, wie uns die sozialen Netzwerke im Griff haben und warum oft die Höflichkeiten verschwinden. Vor allem bei Facebook ist das immer mehr der Fall, darüber haben wir auch schon am Social-Media-Sonntag bei Radio Essen berichtet.

Wir verhalten uns beim Kommentieren oft ungehemmter, weil der Blickkontakt fehlt. Streiten wir uns offline, sehen uns dabei in die Augen, dann trauen wir uns nicht immer alles zu sagen, wie es uns durch den Kopf schießt. Online fehlt der Blickkontakt und wir vergreifen uns schneller im Ton, heißt es.

Dazu bekommen wir schnell den Eindruck, dass solche "lauten Meinungen", Beleidigungen und Stänkereien, die Meinung der Mehrheit sei. Weil es ja vermeintlich viele solcher Kommentare zu jedem Thema gibt. Das ist aber nicht ganz richtig. Nur ein kleiner Prozentteil der User:innen in Social Media kommentiert auch wirklich regelmäßig Beiträge. Dazu müsst Ihr Euch nur einmal selbst fragen, wie häufig Ihr etwas kommentiert. Die meisten kommentieren kaum und deshalb überschätzen wir beim Lesen oft solche negativen Kommentare und glauben, diese Meinung sei die, der Mehrheit. Das kann aber häufig dazu führen, dass immer mehr solcher hässlichen Kommentare auftauchen. Wenn schon irgendwo etwas Negatives steht, dann fällt es anderen leichter, ebenfalls Negatives zu schreiben.

Radio Essen im Umgang schwierigen Kommentaren

Wer uns bei Facebook folgt, wird wissen, dass die Diskussionen unter unseren Postings häufig sehr hitzig werden. Oft verstricken sich User:innen untereinander in Beleidigungen und tolerieren sich gegenseitig nicht. Hier müssen wir ständig einen Spagat machen als Fanpage und werden dabei selbst auch mit vielen Anfeindungen konfrontiert. Der Vorwurf der Meinungsmache ist dabei ganz groß, wenn wir bestimmte Kommentare löschen oder in Diskussionen eingreifen. Wir verfolgen dabei folgende Leitlinie:

Unterschiedliche Meinungen und Argumente, auch wenn wir sie nicht teilen oder sie für andere möglicherweise eine Herausforderung sind, gehören zum Leben und zur Demokratie dazu. Das bedeutet auch, andere Meinungen zu tolerieren und sich mit Meinungen auseinanderzusetzen, die man selbst nicht teilt. All das gehört zu einer offenen Diskussionskultur aber dazu und dafür setzen wir uns als Journalisten ausdrücklich ein. Beleidigungen, Herabwürdigungen, das Schüren von Vorurteilen oder Bedrohen von Menschen anderer Meinung gehört aber ausdrücklich nicht dazu. Hier greifen wir ein, weisen auf unsere Regeln hin, löschen Kommentare und sperren auch Nutzer:innen, die sich wiederholt nicht an diese Regeln halten.

Mehr zu unseren Social-Media-Regeln und dem Umgang damit bei Radio Essen findet Ihr auch im Bereich "Über uns".

Mehr zum Social-Media-Sonntag bei Radio Essen

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