Internet-Mythen bei Radio Essen: Daten löschen, Schlaflosigkeit & gefährliche Apps - wir klären auf

Das Netz konfrontiert uns täglich mit vielen Geschichten, Nachrichten und auch technischen Einstellungen, die ganz schön Kopfzerbrechen machen können. Vieles davon ist wahr und wichtig, aber ebenso vieles sind Internet-Mythen, die wir glauben, die aber gar nicht stimmen. Vergisst das Internet wirklich nie etwas? Macht uns das Internet schlaflos? Radio Essen geht einigen Mythen im und über das Netz auf den Grund. Das war auch Thema am Social-Media-Sonntag, am 17. Januar mit Larissa Schmitz.

Radio Essen löst einige Internet-Mythen am Social-Media-Sonntag auf.
© Radio Essen

An welchen Internet-Mythos glaubt Essen?

Bevor Ihr diesen Artikel weiterlest, akzeptiert gerne zuerst die Umfrage hier drunter und nehmt daran teil. Wir fragen Euch, welche der genannten Thesen Ihr für richtig bzw. wahr haltet. Nicht alle sind ein Mythos. Die Auflösung gibt es im weiteren Verlauf des Artikels, aber es ist natürlich sinnvoller, bevor Ihr die Lösung kennt, ein Bild zu bekommen, woran Ihr glaubt und ob Ihr damit richtig liegt.

Mythos 1: Das Internet macht einsam und raubt den Schlaf

Hier sind wir direkt in einer Grauzone zwischen Mythos und Fakten. Was die Einsamkeit betrifft, so gibt es wenig konkrete Anhaltspunkte, dass dafür rein die Internet-Nutzung oder Social Media verantwortlich sind. Es gibt vielmehr viele Gegenargumente und Studien, die belegen, dass Menschen mit vielen Kontakten im realen Umfeld, auch in den Social Media viele Kontakte pflegen. Und Menschen, die im „realen“ Leben eher wenig Sozialkontakte haben, nutzen gerade das Netz, um dort Anschluss zu finden und fühlen sich dann auch nicht mehr so einsam.

Auch sagt z.B. Sozialpsychologin Prof. Dr. Nicole Krämer von der Uni Duisburg-Essen, dass sie es für sehr unwahrscheinlich hält, dass wir irgendwann nur noch digital miteinander kommunizieren und darüber vereinsamen.

Die These, das Internet und Social Media rauben uns den Schlaf - das ist kein Mythos und kann durchaus passieren. Das liegt aber in erster Linie nicht mit dem Netz selbst zusammen, sondern mit den Geräten, die wir nutzen, wie Smartphones oder Tablets. Gerade bei Jugendlichen gibt es da viele Studien. Wenn diese ihren PC z.B. im Kinderzimmer haben oder abends noch lange Videos am Handy gucken, dann wird der Schlaf gestört. Das hängt, abgesehen vom späten Einschlafen, mit dem Blaulicht an den Geräten zusammen. Das helle Licht des Displays gaukelt unserem Gehirn vor, dass es schon Tag ist. Also wird die Produktion des Schlaf-Stoffes Melatonin gehemmt. Wir schlafen also schwieriger ein und auch unruhiger.

Dagegen helfen z.B. Blaulicht-Filter, die es an vielen moderneren Handys in den Einstellungen gibt. Es gibt aber auch Apps dafür, die sich der Tageszeit anpassen und am Abend das helle blaue Licht herausfiltern. Der Display wird dann meist rötlich und dunkler, was für die Augen angenehmer ist.

Mythos 2: Das Internet vergisst nie

Einmal ein Foto oder Video hochgeladen oder E-Mail-Daten angegeben und diese Daten bleiben für immer im Netz. Das ist eine allgemeine Vorstellung, die seit Jahren in unseren Köpfen verankert ist. Aus dem Internet ist nichts mehr wirklich endgültig zu löschen. Mythos oder Fakt? Tatsächlich ist das ein Mythos.

Es ist zwar wirklich schwierig aus dem Netz Fotos oder Dokumente wieder zu löschen, aber nicht unmöglich. Das Problem ist oft, das unsere Daten sich da schnell verbreiten können. Wir können in den sozialen Medien Beiträge und Fotos teilen, wir können Bilder herunterladen und woanders wieder hochladen, allein auch schon mit einem Screenshot. Dadurch kann es ganz viele Abdrücke von einer Datei im Netz geben.

Dennoch haben wir ein Recht darauf, dass unsere persönlichen Daten gelöscht werden. Das ist das Recht auf Vergessenwerden, das in den Datenschutzrichtlinien verankert ist. Dadurch hat jeder von uns das Recht einen Seitenbetreiber aufzufordern, Dateien zu löschen, zum Beispiel, wenn sie Persönlichkeitsrechte angreifen. Der Seitenbetreiber muss diese Dateien dann auch löschen. Im Zweifel heißt das, z.B. bei einem verbreiteten Foto, mit vielen Seitenbetreibern in Kontakt zu treten. Als kleiner Lichtblick: Viele Seiten sind gar nicht als Langzeit-Speicher programmiert. Diese erneuern sich nach einer Weile, dann werden ältere Daten gelöscht oder überschrieben und Eure hochgeladenen Dateien verschwinden mit.

Mythos 3: Internet und Smartphone-Nutzung fördern Vergesslichkeit

Wir googeln nur noch alles, merken uns keine Telefonnummer mehr und auch sonst übernehmen viele Apps für uns die Arbeit. Je mehr wir am Handy hängen und das Internet nutzen, desto schneller bau unser Gehirn ab und wir werden früher vergesslicher. So die These von Medienpsychologe Manfred Spitzer, der vor ein paar Jahren das Phänomen der "Digitalen Demenz" zur Diskussion gestellt hat. Auch eine Studie in Südkorea sieht diese These als belegt.

Wir haben einen Demenz-Experten aus Essen gefragt, Prof. Dr. Richard Dodel vom Haus Berge in Bergeborbeck. Er sagt, es gebe noch zu wenige neurologische Daten, um diese These wirklich als Mythos oder als Fakt zu betiteln. Er ist aber recht optimistisch und sagt auch: Früher sagten viele, Kinder werden dümmer, durch die Nutzung von elektronischen Taschenrechnern. Das ist bisher auch nicht passiert.

Auch das Merken von Telefonnummern sieht Dodel nicht als Beleg für Digitale Demenz. Heute müssten wir uns viel mehr Nummern merken, weil viel mehr Telefone im Umlauf sind und Handynummern länger sind. Er glaubt, die Digitalisierung verändert unser Denken und unsere Gehirnleistung, aber, ob das eine negative oder rein positive Entwicklung sein wird, dazu fehlen zurzeit noch genügend Daten.

Mythos 4: Cookies sind fiese Datensammler

Wir kennen es alle: Die nervigen Abfragen auf jeder Internetseite, ob wir den Einstellungen und Cookies zustimmen. Viele lehnen alles ab, weil viele Cookies als Datenfalle sehen. Ist das denn überhaupt so? Hier versteckt sich wieder ein halber Mythos. Cookies haben einfach seit Jahren einen schlechten Ruf. Viele Datensammler nutzen kaum mehr Cookies, da gibt es mittlerweile viele andere modernere Möglichkeiten. Cookies erleichtern uns auch viel Arbeit im Netz. Wenn Ihr sie komplett abschaltet, dann kann eine Seite auch nicht mehr Passwörter oder den Warenkorb oder sonstige Einstellungen von Euch speichern. Macht also immer wieder mehr Arbeit ohne Cookies.

Mythos 5: Lieber Apps nutzen, als Internetseiten

Apps werden allgemein als harmloser empfunden als Internetseiten, was das Datensammeln angeht. Hier liegt aber auch ein großer Mythos. Es gibt viele Apps, die viel schlimmer sind, als Seiten im Netz. Wir kennen auch das alle: Häufig wollen Apps Zugriff auf unsere Kontakte oder unsere Kamera haben. Viele Apps tun das einfach ungefragt. Und wenn wir diese benutzen, dann sammeln die fröhlich Daten und die App-Hersteller verkaufen das weiter zur Marktforschung. Die meisten Apps können nämlich auch über eine Kennziffer klar dem Nutzer zugeordnet werden. Habt also immer genau ein Auge darauf, welche Apps Ihr nutzt und welche Zugriffe die App haben will. Das ist meist in den App-Einstellungen gut zu sehen und einzustellen.

© Radio Essen / Larissa Schmitz

Mythos 6: YouTube-Kanal kommuniziert mit Aliens

Der merkwürdige Test-Kanal bei YouTube mit Piep-Tönen und rot-blauen Vierecken galt lange als Internet-Mythos, hat aber eine einfache Erklärung.
Der merkwürdige Test-Kanal bei YouTube mit Piep-Tönen und rot-blauen Vierecken galt lange als Internet-Mythos, hat aber eine einfache Erklärung.©
Der merkwürdige Test-Kanal bei YouTube mit Piep-Tönen und rot-blauen Vierecken galt lange als Internet-Mythos, hat aber eine einfache Erklärung.
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Im Internet gibt es auch viele merkwürdige Dinge, die sich zuerst nicht erklären lassen und zum Mythos werden. So gibt es zum Bespiel seit Jahren einen YouTube-Kanal, der nur 10-sekündige Videos hochlädt, die rote und blaue Vierecke zeigen und dazu Piep-Töne zu hören sind. Dahinter steckt der Kanal Webdriver Torso und lange wurde gemunkelt, ob das Kunst sei oder vielleicht der Versuch mit Aliens Kontakt aufzunehmen. Beides aber ein Mythos. Hinter dem Kanal steckt die YouTube-Mutter Google, die darüber die Upload-Qualität der Videos prüft, also wie sie vor und nach dem Hochladen aussehen.

Mythos 7: Gehirnwäsche im Google-Übersetzer

Eine ähnliche Geschichte tauchte vor ein, zwei Jahren im Google-Übersetzer auf. Gab man z.B. eine bestimmte Anzahl des Wortes "dog" ein und stellte die Ausgangssprache auf Maori ein, dann kam in der englischen Übersetzung ein Text raus, der ein Weltuntergangsszenario beschrieb sowie die Rückkehr von Jesus. Ähnliches passierte, wenn man mehrmals die Buchstaben "ag" eingab und das auf Somali einstellte. Da kam eine Bibelstelle in der englischen Übersetzung raus.

Es ging der Mythos um: Google will Gehirnwäsche betreiben. Tatsächlich hat sich Google nie wirklich dazu geäußert. Da das Übersetzerprogramm aber künstliche Intelligenz ist, die vermutlich auf dem meist übersetzten Buch der Welt lernt - der Bibel, zieht es bei verwirrenden Spracheingaben Altbekanntes heran. Es war ein einfacher Programmfehler. Wenn man Quatsch eingibt, spielt der Übersetzer einfach verrückt. Mittlerweile ist der Fehler auch behoben.

Eine Zeit lang gab es einen Fehler im Google-Übersetzer. Gab man Quatsch auf Maori oder Somali ein, dann kamen z.B. in der englischen Übersetzung bestimmte Botschaften heraus.
Eine Zeit lang gab es einen Fehler im Google-Übersetzer. Gab man Quatsch auf Maori oder Somali ein, dann kamen, z.B. in der englischen Übersetzung, bestimmte Botschaften heraus.© Google
Eine Zeit lang gab es einen Fehler im Google-Übersetzer. Gab man Quatsch auf Maori oder Somali ein, dann kamen, z.B. in der englischen Übersetzung, bestimmte Botschaften heraus.
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Mythen in Essen: Sagenhaftes Ruhrgebiet

Auch lokal in Essen gibt es viele Mythen, die im Internet zu finden sind. Zur Kulturhauptstadt 2010 hat Sagenforscher Dirk Sondermann die Seite "Sagenhaftes Ruhrgebiet" ins Leben gerufen. Dort hat er viele Sagen gesammelt, auch aus Essen, die er sogar mit GPS-Daten genau in den Stadtteilen verortet hat. Als Sagenforscher ist er umher gezogen und hat sich viele Sagen von den Anwohnern und Landwirten erzählen lassen. So haben es auch schon die Brüder Grimm für ihre Märchen gemacht. Sondermann hat die Orte dazu besucht und so mit viel Recherche genau der Sage zugeordnet. Das Spannende hierbei ist es, einzugrenzen, wie viel Wahrheit in einer Sage steckt, was ist Geschichte und wirklich passiert und was ist fantasievoll dazugedichtet worden, erzählt er bei Radio Essen.

Auf der Internetseite über die Essener Mythen könnt Ihr z.B. die Sage vom Stollengespenst in Kupferdreh lesen oder die geheimnisvolle Richtstätte in Horst entdecken. Oder aber erfahren, wie wohl ein Fass Bier die Revolution am Schloss Schellenberg in Rellinghausen beruhigen konnte.

Hier geht es zum Sagenhaften Ruhrgebiet und den Mythen von Essen.

Mehr vom Social-Media-Sonntag bei Radio Essen

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