Neuer Betroffenenbeirat im Bistum Essen will präsenter sein
Veröffentlicht: Samstag, 02.08.2025 11:29
Seit über drei Jahren helfen Betroffene von sexualisierter Gewalt im Bistum Essen bei der Aufarbeitung und unterstützen andere Betroffene. Der neu gewählte Betroffenenbeirat will noch eine Schippe drauflegen.

Betroffenenbeirat im Bistum Essen gibt Betroffenen eine Stimme
Sexueller Missbrauch in der Kirche - das ist nicht nur in irgendwelchen Gemeinden weiter weg passiert, sondern auch hier in Essen. Das Bistum möchte die Fälle aufarbeiten und seine Strukturen verbessern, damit so etwas nicht wieder passiert. Dabei unterstützt der Betroffenenbeirat im Bistum Essen. Er bringt die Perspektive von Betroffenen ein, gibt ihnen eine Stimme und unterstützt sie, beispielsweise bei Anträgen auf Schmerzensgeld. Seit 2021 gibt es diesen Betroffenenbeirat. Er wurde gegründet als Teil der Vereinbarung zwischen der Deutschen Bischofskonferenz und dem Unabhängigen Beauftragten der Bundesregierung für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs.
Viele neue Projekte für Betroffene in Essen angestoßen
Nach Ende der ersten Amtsperiode, im November letzten Jahres wurde ein neuer Betroffenenbeirat in Essen gewählt. Abstimmen konnten die rund180 bekannten Betroffenen im Bistum. Vor rund einem halben Jahr ist der neue Beirat dann das erste Mal zusammengekommen. Er hat Arbeitsgruppen gegründet, Projekte angestoßen und steckt jetzt mitten in der Arbeit. Im Juni etwa hat es ein erstes Frühstück für Betroffene gegeben. Am 25. August steht das nächste an. Andere Ideen sind einen Gedenktag ins Leben zurufen, und eine Fahrradgruppe, bei der die Betroffenen sportlich aktiv bleiben und sich gleichzeitig austauschen können. Eine Sache ist den beiden neuen Sprechen Wilfried Fesselmann und Joachim Schöttler aber besonders wichtig: In die Öffentlichkeit gehen mit ihren Anliegen.
Betroffenenbeirat in Essen will mehr in die Öffentlichkeit
Der Wunsch nach mehr Öffentlichkeit unterscheidet den neuen Betroffenenbeirat von dem alten, sagt Wilfried Fesselmann: "Da kam nie mal ne Mail, oder mal ein Brief, oder mal eine Info, da kam gar nichts. Die waren auch in den Medien nicht öffentlich." Und Joachim Schöttler ergänzt: "Wir halten die Finger in die Wunden, wir sagen was fehl läuft, wir gehen ins Bistum, wir machen auch wirklich Forderungen, die wir auch schriftlich fixieren, die wir bekannt geben, die wir senden." Der Betroffenenbeirat im Bistum Essen möchte sich außerdem stärker mit Betroffenenbeiräten in anderen Bistümern vernetzen und Vorreiter werden in ganz Deutschland. Dafür haben die neu Gewählten jetzt drei Jahre Zeit.
Engagement im Betroffenenbeirat ist heilsam
Wilfried Fesselmann und Joachim Schöttler wurden als Kinder von Geistlichen missbraucht, unter anderem in Rüttenscheid. Beide hat das traumatisiert und es begleitet sie ein Leben lang. Wilfried Fesselmann konnte - wie viele Betroffene - jahrelang nicht arbeiten. Joachim Schöttler hat lange ins Bett genässt, Fingernägel gekaut, hatte Angstzustände. Für ihn ist das Engagement im Betroffenenbeirat deswegen nicht immer einfach, aber genau das richtige: "Für mich ist es der richtige Therapieweg." Auch Wilfried Fesselmann hilft es sich mit anderen Betroffenen auszutauschen. "Das passiert halt so auf Augenhöhe. Die Geschichten sind ähnlich von den Abläufen her und jeder weiß, wie der andere sich fühlt."
"Ich sehe nicht zu 100 Prozent die Kirche in Schuld"
Aber warum setzen sich die beiden für den Betroffenenbeirat und damit auch für das Bistum ein? Es wäre schließlich verständlich, der Kirche für immer den Rücken kehren zu wollen, nach allem was passiert ist. Joachim Schöttler verbindet den katholischen Glauben mit seinen Eltern und Großeltern, mit Heimat. "Ich sehe nicht zu 100 Prozent die Kirche in Schuld, weil es sind einzelne Täter." Was er der Kirche allerdings vorwirft: Dass sie wissentlich Täter versetzt und dann öffentlich gesagt hat, sie hätte von nichts gewusst. Das findet auch Wilfried Fesselmann absolut unverantwortlich. Er ist aus der Kirche ausgetreten. Aber er möchte dabei helfen, dass das Bistum die Betroffenen mehr in den Blick nimmt und merkt, dass die Betroffenen präsent sind. Nur so finde ein Umdenken statt.

Positive Zusammenarbeit mit dem Bistum Essen
Wie gut läuft denn die Zusammenarbeit mit dem Bistum Essen? Beide Sprecher des Betroffenenbeirats empfinden sie größtenteils als positiv und wertschätzend, sagen sie. Wilfried Fesselmann hat das Bistum sogar auf Schmerzensgeld verklagt. Trotzdem ist er jetzt im Betroffenenbeirat des Bistums. Das erste Treffen mit dem Generalvikar und dem Bischof sei für ihn deswegen etwas unheimlich gewesen - er habe sich dann aber verstanden und respektiert gefühlt. Gleichzeitig machen beide Sprecher deutlich: Sie haben keine Scheu davor auch mal unangenehme Fragen zu stellen und den Finger in die Wunde zu legen. Denn es müsse sich noch viel verändern im Bistum, etwa was die Bearbeitungszeit der Schmerzensgeldanträge angeht oder die Höhe des Geldes.
"Stellt die Anträge, es ist Euer Recht!"
Obwohl das Schmerzensgeld, das Betroffene bekommen, vergleichsweise wenig sei, lohne es sich den Antrag zu stellen, sagen die beiden Sprecher. Bisher hätten noch viel zu wenige, das extra dafür zur Seite gelegte Geld abgerufen, so Wilfried Fesselmann. Und Joachim Schöttler sagt: "Stellt die Anträge, es ist Euer Recht. Ihr seid keine Bittsteller, ihr seid Geschädigte. Kommt zu uns, rennt uns die Türen ein, wir helfen Euch Anträge zu stellen."
Alle Infos dazu und die Kontaktdaten, findet Ihr hier.
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