Weniger Geburten in Essen - So schwierig ist die Lage in den Krankenhäusern

In Essen wurden vor einem Jahr die Geburtsstation und die Gynäkologie im Alfried Krupp Krankenhaus geschlossen. Die Folgen sind in der Stadt deutlich spürbar. Hier kommen weniger Kinder zur Welt. Die Familien leben in Essen, die Frauen weichen aber für die Geburt in Nachbarstädte aus. Der Geburtsort ist dann nicht mehr Essen.

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In Essen kommen weniger Kinder zur Welt

Jedes vierte Kind kommt nicht mehr in Essen zur Welt. Der Geburtsort im Personalausweis ist ein anderer. Dort steht nicht Essen.

Vor einem Jahr hat die Geschäftsführung des Alfried Krupp Krankenhauses überraschend die Gynäkologie und die Geburtsstation geschlossen. Viele werdende Mütter waren überrascht und mussten sich schnell einen neuen Ort für die Geburt suchen. Auch die Hebammen und das Team der Gynäkologie waren von der Nachricht geschockt. Inzwischen sind die ehemaligen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter überallhin zerstreut, sagt eine ehemalige Mitarbeiterin im Gespräch mit Radio Essen. Nach der Schließung der Geburtsstation hat die Stadt Essen unter Leitung des Gesundheitsdezernenten Peter Renzel einen "Runden Tisch für Geburtshilfe" ins Leben gerufen. Hier treffen sich regelmäßig die Beteiligten aus den Kliniken, dem Geburtshaus in Borbeck und die Hebammen. Das nächste Treffen ist für den Herbst angesetzt. Der Austausch in der Runde ist für alle gewinnbringend, sagt die Leiterin des Essener Gesundheitsamtes im Gespräch mit Radio Essen. Inzwischen wollen die beiden Kliniken auch Geburtslotsinnen in ihren Häusern etablieren, die den Müttern vor und nach der Geburt helfen die richtigen Angebote zu finden. Außerdem unterstützt die Hebammenzentrale des ASB werdende Mütter bei der Suche nach einer Hebamme. Die Zentrale hat inzwischen schon 2000 Frauen vermittelt.

Die Folgen dieser überraschenden Entscheidung sind in den beiden anderen Kliniken deutlich spürbar. Einige Mütter entscheiden sich gegen eine Geburt in einer der beiden verbliebenen Kliniken, am Elisabeth-Krankenhaus in Huttrop oder am Uniklinikum in Holsterhausen. Die Gründe dafür sind bei jeder Frau unterschiedlich. Einer könnte sein, dass die beiden Kliniken nicht das Zertifikat der WHO und von UNICEF als "babyfreundliches Krankenhaus" haben. Auf der Internetseite kann jede eine Suche nach den zertifizierten Kliniken in der Umgebung starten. Kliniken in Bochum, Düsseldorf oder Mülheim haben das Zertifikat und dort kommen auch Essener Kinder zur Welt.

Schließung sorgt in Essen für Zulauf in anderen Kliniken

Ins Uniklinikum in Essen kommen seitdem deutlich mehr Frauen mit gynäkologischen Problemen. Das Team in Holsterhausen muss mehr Notfälle versorgen. Viele Frauen kommen in die Ambulanz. In der Uniklinik kamen auch mehr Kinder zur Welt, im letzten Jahr nach der Schließung 17 Prozent mehr und im ersten Halbjahr diesen Jahres 10 Prozent, erklärt der Leiter der Frauenklinik Prof. Rainer Kimmig auf Radio Essen-Nachfrage. Die Klinik hat mehr Hebammen eingestellt und eine neue Leitung für das Hebammenteam. Dort können Frauen jetzt auch eine hebammengeleitete Geburt wählen. Die Klinik bietet Familienzimmer an und wenn doch bei der Geburt etwas Unvorhergesehenes passiert, dann sind die Wege in die Kinderklinik und Frauenklinik sehr kurz. Im zweiten Halbjahr letzten Jahres und im ersten Halbjahr diesen Jahres gab es 1319 Geburten, im gleichen Zeitraum davor 1256.

Am Elisabeth-Krankenhaus in Huttrop waren alle überrascht von der Entscheidung am Krupp Krankenhaus. Vor einem Jahr wurden in der Klinik gerade die Geburtsstation und die Familienzimmer renoviert. Die Klinik konnte damals den Frauen nicht alles anbieten, was sie sich für die Geburt gewünscht haben, bedauert die Chefärztin der Frauenklinik am Elisabeth-Krankenhaus. Seitdem ist aber viel passiert und seit dem Frühjahr ist die komplette Station modernisiert und klimatisiert, die Familienzimmer sind neu und bald soll es noch einen siebten Kreißsaal geben. Im Elisabeth-Krankenhaus gab es im letzten Jahr 2922 Geburten. Damit kommen immer noch die meisten Kinder in Essen hier zur Welt. Die Chefärztin Dr. Daniela Reitz setzt bei den natürlichen Geburten auf ihr Hebammen-Team, das im letzten Jahr ebenfalls verstärkt wurde. Werdende Mütter werden immer unter der Geburt von einer Hebamme betreut, erklärt sie im Interview mit Radio Essen-Moderatorin Anna Bartl. Auch in anderen Krankenhäusern kann es passieren, dass mehrere Frauen gleichzeitig von den Hebammen betreut werden.

© Radio Essen

So reagieren Hebammen auf die veränderte Situation

Viele Hebammen in Essen bedauern ebenfalls die Schließung der Geburtsstation am Krupp Krankenhaus. Im Gespräch mit Radio Essen erklärt eine Hebamme, dass die Geburtsstation in Rüttenscheid viele Frauen angesprochen hat und sie gern dort ihr Kind zur Welt gebracht haben. Jetzt fehlt so eine Geburtsstation. Ein ähnliches Setting gibt es nur noch im Geburtshaus in Borbeck. Das Geburtshaus feiert jetzt seinen 25-jähriges Jubiläum. Dort sind seit der Gründung rund 1500 Kinder zur Welt gekommen, sagt Hebamme Katja Stöhr stolz im Gespräch mit Radio Essen. Allerdings können Frauen dort nicht einfach hinkommen und ihr Kind gebären, dafür gibt es dort keine Kapazitäten. Daniela Benzko-Holley hat eine Hebammenpraxis in Bergerhausen und erklärt im Radio Essen-Interview, was Frauen dazu bringt für die Geburt in andere Städte auszuweichen und wie sie mit ihren Frauen die Schließung im Krupp Krankenhaus erlebt hat. Der Weg in den Kreißsaal ist für die Frauen jetzt deutlich länger und auch für die Familien ist es schwieriger die Mutter und ihr neugeborenes Baby zu besuchen. Und trotzdem entscheiden sich einige Frauen gegen eine Geburt in Essen.

© Radio Essen

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