Radio Essen sucht das Glück: Macht Verzicht glücklich?
Veröffentlicht: Donnerstag, 27.07.2023 07:15
Verzichten - beim ersten Hören kann da doch ein leichtes Grummeln aufkommen. Kann das positiv sein? Und wo wartet da das Glück? Wir haben im Rahmen der Glückswoche bei Radio Essen mit verschiedenen Menschen über Verzicht gesprochen und spannende Einblicke bekommen. Bei uns in Essen gibt es beide Extreme.
Radio Essen-Interview: Warum hinter Verzicht Glück lauern kann
Die Radio Essen-Glückswoche beschäftigt sich mit allen großen und kleinen Aspekten rund um das Thema Glück. Und manchmal gehört zum glücklich sein, auch mal verzichten können. Medien, Smartphones oder einfach die gesamte digitale Welt - sie haben zum Beispiel unser Leben nicht nur verändert, sondern vor allem beschleunigt. Wie mit vielen Dingen ist das aber nicht nur positiv. Das "zur Ruhe kommen" fällt immer schwerer - trotz aktuellen Trends wie Achtsamkeit und Meditation.
Radio Essen-Glücksreporterin Antonia Weiß hat deshalb ein Essener Kloster besucht, um mal in die Lebenswelt einer Klosterschwester einzutauchen. Genauer gesagt: Ins Karmelitinnen-Kloster in Stoppenberg. Dort ist sie auf Schwester Adeodata getroffen. Sie ist schon im Kloster, seit sie Anfang 20 ist. Verzicht spielt im Leben der Klosterschwestern eine sehr große Rolle. Ihr Tag besteht phasenweise nur aus Gebet und Schweigen. Viel gesprochen wird nicht, weil man "sonst nicht Gott begegnen kann", sagt Schwester Adeodata. Sie stehen sehr früh auf, das heißt: 04:30 Uhr jeden Morgen. Um 05:30 Uhr gibt es dann das erste Gebet. Über den Tag verteilt gibt es immer wieder Gebets, Schweige,- aber auch Arbeitsphasen. Zum Zeitvertreib stellen die Schwestern im Kloster selbst Kerzen her und verkaufen sie. Aber auch Kleidung wird selbst genäht. Manche arbeiten auch im Klostergarten. Von 20 Uhr abends bis 7 Uhr morgens ist dann die lange Schweigephase. Wenn es natürlich etwas Wichtiges oder Dringendes gibt, was geklärt werden muss, kann das auch mal in den Schweigephasen erfolgen. Längere Gespräche soll es allerdings dann nicht geben.
Was ist wirklich nötig zum Glück in Essen?
Man könnte zwar meinen: "Naja, die sind eben Profis im Stille üben und Schweigen." Und das sind sie definitiv. Aber auch sie müssen sich das immer wieder neu vornehmen und sich um Stille bemühen, hat uns Schwester Adeodata gesagt. Sie lädt deshalb dazu ein, erst einmal die Ablenkungen um einen herum zu reduzieren und sich mal die Frage zu stellen, was wirklich nötig oder überflüssig ist. Ist es wirklich nötig, morgens schon den Fernseher zum Frühstück anzustellen? Noch vor dem Aufstehen die neuesten Inhalte im Instagram-Feed zu checken? Denn auch dahinter kann sich das Glück verbergen: Indem wir versuchen zur Ruhe zu kommen und wieder ein Stück mehr zu uns selbst finden. Oft wird das Wort Verzicht mit Mangel verwechselt, hat Schwester Adeodata gesagt. Mangel sei aber etwas gänzlich anderes: Mangel bedeute kein Essen zu haben oder kein Dach über dem Kopf. Verzicht sei aber etwas Positives und immer aus Liebe motiviert. Aus Liebe zu sich selbst, den Mitmenschen gegenüber und auch Gott gegenüber.
"Es gehört nicht zum Glück dazu, dass ich immer alles habe." (Schwester Adeodata über unsere Wohlstandsgesellschaft)
Politische Krisen und der Verzicht auf Nachrichten in Essen
Verzicht kann sich auch anders zeigen - als eine Art Schutzmechanismus. Das Wort "Krise" können viele nicht mehr hören und deshalb schalten sie Fernseher oder Radio ab, wenn die Nachrichten kommen. Auch wir als Radio-Sender bei Radio Essen wissen darum und befassen uns damit. Das Thema betrifft auch Tagesschau-Sprecher, Journalist und Autor Constantin Schreiber. Viele kennen ihn, weil er sie in ihrem Wohnzimmer oft pünktlich abends um 20 Uhr zur Tagesschau begrüßt. Schreiber hat gleich ein ganzes Buch über das Thema Glück geschrieben. "Glück im Unglück - Wie ich trotz negativer Nachrichten optimistisch bleibe". Und wir haben mit ihm dazu gesprochen.
Radio Essen-Interview: Last der schlechten Nachrichten fing an "aufs Gemüt zu schlagen"
Die Idee, selbst ein Buch über das Glück zu schreiben, kam Constantin Schreiber nach einer Tagesschau-Sendung - kurz nach Beginn des Krieges in der Ukraine.
"Ich habe gemerkt, dass mir die Last der schlechten Nachrichten anfing aufs Gemüt zu schlagen. Ich musste aufpassen, dass man mir das nicht anmerkt. Ich habe gemerkt: Ganz so kalt lässt es mich dann doch nicht."
Also, hat er sich auf die Suche begeben, was man unter dem Wort Glück überhaupt versteht. Er hat mit Wissenschaftlern, Ärzten und Psychologen gesprochen. Er hat recherchiert zu Themen wie Resilienz und positiver Psychologie. Und dabei gemerkt, dass es gar nicht so einfach ist, das Wort Glück zu definieren. In der Medizin findet Ihr da am schnellsten Antworten. In der Psychologie wird das Wort Glück eher mit dem Wort Zufriedenheit übersetzt. Indem Ihr Euch die Frage stellt: Bin ich zufrieden, wie mein Leben läuft? Sein persönliches Glück findet Constantin Schreiber in der Natur, vor allem "am und im Meer", wie er im Radio Essen-Interview erklärt.
Journalisten brauchen professionelle Distanz zu den Nachrichten-Themen
Die Vorbereitung auf eine Tagesschau-Sendung laufe oft anders ab, als viele denken. Durch die Aktualität der Sendung sei gar nicht groß die Zeit da, über die Themen nachzudenken und sich davon runterziehen zu lassen, sagt Schreiber. Außerdem entwickle man eine gute professionelle Distanz zu den Themen. "Sonst würde man das ja gar nicht aushalten", fügt der Tagesschau-Sprecher hinzu.
Der Digital News Report 2023 hat gezeigt, dass das Interesse an Nachrichten abnimmt. Es herrscht zunehmend eine regelrechte Nachrichtenmüdigkeit - vor allem von negativen Nachrichten. Wie schätzt Tagesschau-Sprecher Constantin Schreiber das ein? Das Problem seien nicht die schlechten Nachrichten an sich - die habe es früher auch schon gegeben. Viel mehr sei die ständige Verfügbarkeit ein Problem. Auf jedem technischen Gerät könne man heutzutage Nachrichten konsumieren - morgens, mittags, abends, nachts. Manche Menschen finden dann kein Ende mehr und geraten in eine Negativ-Spirale.
Phänomen zu negativem Nachrichten-Konsum bereits erforscht
Das ist auch ein Phänomen, das bereits erforscht ist. Genannt: Doomscrolling. Damit ist das exsessive Verhalten gemeint, negative Nachrichten zu konsumieren. Fachleute sind sich einig, dass das Ängste verstärken kann. Deshalb rät Constantin Schreiber statt abzuschalten, umzuschalten. Man kann ja informiert sein, aber zwischendurch sollte man sich eine Pause von Nachrichten gönnen. Und dann den Fokus bewusst auf etwas Positives lenken. Das Gehirn mit positiven Informationen und Emotionen füttern.
In diesem Zuge verweist Schreiber auch auf das Lachen. Lachen bewirkt nämlich eine positive Reaktion in unserem Körper, egal ob wir etwas lustig finden oder bewusst lachen. Ihr könnt Euch also selbst viel Gutes tun, indem Ihr den eigenen Fokus immer wieder neu ausrichtet. Wir müssen lernen, mit dieser Allverfügbarkeit von Nachrichten umzugehen, raten auch Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler. Denn das sei etwas, was in uns Menschen evolutionsbiologisch nicht angelegt sei.
Das andere Extrem in Essen: Leben im Überfluss
Die einen Schweigen und Verzichten, die anderen Leben im Überfluss mit teuren Uhren, dicken Autos und Champagner. Die Influencerin Walentina Doronina aus Rüttenscheid zeigt ihren Followern auf Instagram ein Leben, in dem sie sich viel leistet. Rund 166.000 Menschen schauen ihr täglich dabei zu. Urlaub und Essen gehen machen sie glücklich, sagt sie. Auf etwas zu verzichten, kann sie sich nicht vorstellen. Auch ihr Handy hat sie immer dabei. Wirklich glücklich machen würde sie Verzichten nicht, sagt die Essenerin.
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