Notschlafstelle Raum 58 in Essen: Mehr als ein Schlafplatz für Minderjährige

Der Raum 58 im Westviertel von Essen ist in erster Linie eine Notschlafstelle für Jugendliche im Alter von 14-21 Jahren. Vor Ort spürt man aber, dass die Einrichtung für die Jugendlichen viel mehr ist, als bloß ein Schlafplatz.

© Radio Essen / Benedikt Kaninski

Raum 58 in Essen: Ein Ort der Zuflucht

Die Notschlafstelle für Jugendliche Raum 58 im Westviertel nimmt Kinder und Jugendliche im Alter von 14 bis 21 Jahren auf, die obdachlos geworden sind. Die Gründe sind vielfältig: Stress in der Schule, Konflikte mit den Eltern oder falsche Freunde sind nur ein Auszug aus dem Leben vieler Jugendliche, die in den Raum 58 kommen. Dort stehen Ihnen acht Schlafplätze zur Verfügung. Über zehn Mitarbeiter:innen sind in der Notschlafstelle beschäftigt und begleiten die Jugendlichen von der Ankunft bis zum Abschied. Beim Nachtaufenthalt bedeutet das von 19:00 bis 9:00 Uhr morgens. Die meisten Jugendlichen bleiben aber über mehrere Wochen oder sogar Monate dort.

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Raum 58: Wiederaufnahme ins gesellschaftliche Leben

Die obdachlosen Jugendlichen, die in den Raum 58 kommen, haben oft eine lange Geschichte hinter sich. "Oft gibt es Gewalterfahrung in der Familie" erklärt die Leiterin des Raum 58 Manuela Grötschel. Aber auch Kriminalität und Drogenkonsum sind häufige Themen. Durch die eigene Vergangenheit fällt es den Jugendlichen schwer, wieder am gesellschaftlichen Leben teilzuhaben. "Die Wohnungssuche ist zum Beispiel schwierig. Wenn sich einer unserer Jugendlichen auf eine Wohnung bewirbt, zieht er ohne festen Wohnsitz immer den kürzeren", erklärt Manuela Grötschel die Situation. Im Raum 58 finden sie dagegen für eine Zeit lang Schutz und Halt. "Man kann sagen, dass wir hier immer eine gute Zeit zusammen haben", erzählt Betreuer Nicolas. Verschiedene Programme sollen den Jugendlichen helfen, wieder an der Gesellschaft teilzunehmen und von der Straße wegzukommen.

Bilder aus dem Raum 58

Mike und Julian haben ein Ziel

Aktuell schlafen im Raum 58 auch Mike und Julian (Namen von der Redaktion geändert). Mike kam vor neun Monaten in die Notschlafstelle. Er hatte mit 16 Jahren eine schwere räuberische Erpressung verübt und ist nach seiner Haft in ein Wohnhaus eingebrochen. Zuvor wurde er von seinen Eltern vor die Tür gesetzt und sollte für seinen Onkel Drogen besorgen. Mit der Ankunft im Raum 58 beruhigte sich sein Leben. Er will Koch werden, muss dafür aber erst einmal seinen Schulabschluss nachholen.

Julian ist dagegen erst seit drei Wochen in der Notschlafstelle. Er lebte im letzten Jahr mal hier und mal dort, schlief bei Freunden in Großstädten wie Hamburg, Frankfurt oder Berlin. Wegen seiner Freundin ist er nach Essen gekommen und sieht die Notschlafstelle als Übergangslösung: "Ich möchte mir schnell eine Wohnung suchen und mein Leben in den Griff kriegen." Sein Ziel ist es, eine Ausbildung zum Zerspanungsmechaniker zu machen.

"Man kann wirklich etwas verändern"

Die Mitarbeiter:innen sind sich der Verantwortung ihres Berufs bewusst und machen ihn gerne. "Man kann wirklich etwas verändern", erklärt Manuela Grötschel. Es gibt aber auch Schicksale, die Zweifel aufkommen lassen: "Manchmal hört man zum Beispiel, dass jemand der hier war, früh gestorben ist. Oder es gibt die Fälle, die sich nicht stabilisieren und immer weiter Probleme haben." Das sei der Preis, wenn man dort arbeite, meint Grötschel. Es gibt aber auch gute Geschichten. Zum Beispiel, wenn Jugendliche sich weiterentwickeln und mit 25 Jahren fest im Leben stehen. "Die haben hin und wieder immer noch Probleme, aber kommen sehr gut klar und melden sich dann auch bei uns", schildert Manuela Grötschel. Erzählungen die zeigen, wie wichtig der Raum 58 für die Jugendlichen Obdachlosen bei uns in der Stadt ist.

Mehr zur Serie "Das Leben auf der Straße"

Dieser Artikel gehört zu unser Radio Essen Serie "Das Leben auf der Straße", wo wir den Menschen auf der Straße eine Stimme geben. Wir stellen aber auch die Organisationen und Einrichtungen vor, die diesen Menschen helfen. Hier findet Ihr noch weitere Themen aus unsere Serie:



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