Ein Jahr Ukraine-Krieg: Essen kämpft noch mit den Folgen

Essen ist für viele Ukrainerinnen und Ukrainer eine neue Heimat geworden. Sie haben viel Hilfsbereitschaft und Unterstützung erfahren. Aus Essen geht die Hilfe weiter. Dafür wollen sich die hier lebenden Ukrainer heute (24. Februar) bei einer großen Kundgebung in der Innenstadt bedanken und dafür werben, dass vor allem ihre Landsleute in der Ukraine weiter unterstützt werden.

Essen hilft und spendet für Ukraine

Igor Denisiuk, ehemaliger Rot-Weiss Essen-Spieler und gebürtiger Ukrainer, ist ständig unterwegs und versucht alles, um seinen Landsleuten hier in Essen und in der Ukraine zu helfen. Er merkt aber auch, dass die Hilfsbereitschaft über das Jahr hinweg abgenommen hat.

"Du musst schon ganz schön kämpfen, wenn Du was erreichen willst."

Viele sind müde geworden. Das Jahr hat sie zermürbt und viel Kraft gekostet, in der Ukraine selbst und auch hier in Essen. Die Menschen versuchen sich zurecht zu finden, lernen Deutsch, die Kinder gehen in die Schule oder in die Kita. Aber so richtig angekommen sind manche nicht und gehen trotz Krieg wieder in die Heimat zurück. Auch Igor Denisiuk hat Heimweh und würde gern seine Familie und Freunde besuchen, erzählt er im Interview mit Radio Essen-Moderatorin Anna Bartl.

© Radio Essen

In Essen lebende Ukrainerinnen sorgen sich um ihre Angehörigen

Was sich in dem einen Jahr für die Ukrainerinnen und Ukrainer in Essen noch getan hat, erzählt Tetiana Polzin im Gespräch mit Radio Essen-Stadtreporter Kostas Mitsalis. Tetiana ist in der Ukraine geboren und mit einem Essener verheiratet. Die junge Mutter lebt mit ihrem Mann und ihrem Sohn seit Jahren in Schönebeck.

© Radio Essen

Ukrainerinnen und Ukrainer sind traurig, dass ihre Heimat immer weiter zerstört wird. Viele sind hergekommen und leben jetzt hier in Essen. Immer noch sind sie sehr bewegt, wenn sie über das Schicksal ihrer Familie und ihr Leben hier in Deutschland sprechen. Radio Essen-Moderator Martin Kels hat mit Viktorya Sokolowa über das letzte Jahr gesprochen.

© Radio Essen

Essen: Große Demo zum Jahrestag des Ukraine-Kriegs

Mit seinem ukrainisch-deutschen Verein "Opora" (übersetzt Unterstützung) organisiert Igor Denisiuk zusammen mit den anderen deutsch-ukrainischen Vereinen eine große Veranstaltung zum Jahrestag in der Innenstadt. Zuerst gibt es eine Kundgebung um 15:30 Uhr auf dem Burgplatz. Auf der Kundgebung werden unter anderem Oberbürgermeister Thomas Kufen, der Bürgermeister der ukrainischen Partnerstadt Riwne, Mitglieder der Stiftung Universitätsmedizin, Vertreter aus den Hilfsvereinen und viele andere das Wort ergreifen. Sie wollen zum einen allen danken, die geholfen haben und gleichzeitig auch daran erinnern, dass Hilfe weiterhin dringend gebraucht wird. Nach der Kundgebung gibt es noch eine Demonstration durch die Innenstadt, die später wieder am Burgplatz endet.

Unser Radio Essen-Stadtreporter berichtet von etwas mehr als 500 Teilnehmern auf dem Burgplatz.

© Kostas Mitsalis / Radio Essen
© Kostas Mitsalis / Radio Essen
© Kostas Mitsalis / Radio Essen

In Essen leben jetzt plötzlich viel mehr Kinder aus der Ukraine

Rund 7800 Menschen sind seit Beginn des Krieges aus der Ukraine nach Essen gekommen. Die meisten wohnen bei Familienangehörigen, Freunden oder auch immer noch bei hilfsbereiten Essenerinnen und Essenern. Meist sind es Frauen, Kinder und Ältere, die geflohen sind. Die vielen Kinder stellen die Stadt Essen vor eine große Herausforderung. Sie müssen in die Schule gehen, dort ist aber inzwischen nirgendwo mehr Platz in den Klassenräumen. Seit dem Krieg leben 1900 Kinder im schulpflichtigen Alter mehr in der Stadt. Die Stadt hätte allein für die Zahl der Schülerinnen und Schüler zweieinhalb neue Schulen bauen müssen. Das ist praktisch aber unmöglich. Jetzt will die Stadt Schulcontainer kaufen und diese an geeigneten Standorten aufstellen, zusätzlich sollen Räume in anderen Gebäuden für den Unterricht angemietet werden.

Essen hat mit den Flüchtlingen viel zu tun

Auch beim Jobcenter macht sich die Anzahl der Neuankömmlinge deutlich bemerkbar. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mussten dort seit Juni die Anträge von rund 2500 Bedarfsgemeinschaften annehmen, prüfen und bewilligen. Dabei stoßen alle oft an ihre Grenzen: Die Flüchtlinge aus der Ukraine sprechen kein Deutsch und verstehen das Sozialsystem nicht und welche Rechte und Pflichten sie haben. Auch da helfen die Ehrenamtlichen aus den Vereinen immer wieder aus. Inzwischen haben die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Jobcentern schon mit vielen Geflüchteten gesprochen und wissen, welche Ausbildung sie haben und was sie gerne arbeiten möchten.

Jetzt geht es in die Sprach- und Integrationskurse und danach wollen viele hier arbeiten. Bis jetzt haben 134 von ihnen einen sozialversicherungspflichtigen Job oder eine Ausbildung gefunden. Im Frühjahr wollen die Jobcenter weitere Abfragen starten, um rauszufinden, wo die Menschen arbeiten können.

Stadt Essen steht vor großer Herausforderung durch den Krieg

Der Krieg in der Ukraine hat auch die Stadt Essen vor große Herausforderungen gestellt. Gleich zu Beginn vor einem Jahr sind tausende vor dem Krieg nach Essen geflüchtet. Im letzten Jahr waren es zusammen doppelt so viele Geflüchtete wie im Jahr 2015. Mehr als 4000 kamen dieses Mal bei Verwandten, Bekannten und Essenerinnen und Essenern unter. Das hat die Stadt entlastet. In den Unterkünften wäre für sie gar kein Platz gewesen. Deshalb gab es praktisch keine Diskussionen über Flüchtlingsunterkünfte in der Stadt. Das freut Sozialdezernent Peter Renzel, der im Interview mit Radio Essen-Moderatorin über das letzte Jahr spricht.

© Anna Bartl, Radio Essen

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