Bistum Essen: Große Studie zu sexuellem Missbrauch - Über 420 Fälle

In Essen wurde am 14. Februar eine große Studie zum Missbrauch im Ruhrbistum vorgestellt. Dabei handelt es sich um eine unabhängig durchgeführte Studie des Münchner Instituts IPP. Dazu sollten sich Betroffene bei dem Institut melden.

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Bistum Essen und sexueller Missbrauch - Mehr gemeldete Fälle als bisher bekannt

Am Dienstag, 14. Februar, hat sich das Bistum Essen erneut mit der Aufarbeitung der Fälle von sexuellem Missbrauch auseinandergesetzt. Eine unabhängig durchgeführte Studie wurde im Ruhrturm in Essen vorgestellt und hat eine Zahl ergeben, die deutlich höher liegt, als bisher bekannt war. Demnach sind seit der Gründung des Ruhrbistums 1958, 423 Fälle von sexuellem Missbrauch, vor allem durch Priester und Ordensleute, gemeldet worden. Mit Stand von 2020 waren bistumsweit bisher 99 Menschen bekannt, die Opfer von Missbrauch wurden.

Das Bistum spricht von 201 Beschuldigten bis zum Februar 2023, dazu gehören überwiegend Priester aus dem Ruhrbistum und anderen Bistümern, Diakonen und Ordensleuten verschiedener Geschlechter. Die Täter sollen teilweise mehrere Jahrzehnte ihre Berufe und Karrieren ausgeübt haben, sagte die Leiterin des IPP-Forschungsteams, Helga Dill.

Weitere Details zeigt die Studie auch: So seien im Bistum Essen 53 Anzeigen erstattet worden, 33 Verurteilungen nach Kirchen- oder Strafrecht wurden registriert. 163 Betroffene hätten bereits Anträge auf Anerkennungszahlungen für ihr Leid gestellt, knapp 2,6 Millionen Euro seien ausgezahlt worden.

«Missbrauch ist nicht nur ein Problem der Täter, sondern ein systemisches Problem der Kirche» - Ruhrbischof Franz-Josef Overbeck unmittelbar vor der Vorstellung der Studie.

Das Bistum Essen bezeichnet sich, mit rund 720.000 Katholiken im Ruhrgebiet und Sauerland, als flächenmäßig kleinstes Bistum Deutschlands.

Ruhrbischof Overbeck reagiert in Essen auf Missbrauch-Studie

Ruhrbischof Overbeck bei Pressekonferenz in Essen zur Missbrauch-Studie
Ruhrbischof Overbeck bei Pressekonferenz in Essen zur Missbrauch-Studie© Radio Essen/Kostas Mitsalis
Ruhrbischof Overbeck bei Pressekonferenz in Essen zur Missbrauch-Studie
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Auch wenn einige der Fälle strafrechtlich verfolgt wurden, blieben viele Betroffene Opfer von Vertuschung. Selbst auf gesichertes Wissen in Bezug auf sexualisierte Gewalt sei teils mit Versetzung des Täters oder gar nicht reagiert worden, heißt es in der Studie. So sei Missbrauch jahre- oder jahrzehntelang weitergegangen.

Ruhrbischof Franz-Josef Overbeck hat bei der Vorstellung der Studie klare Worte gefunden und deutlich gemacht, dass er die damalige Vorgehensweise des Bistums stark ablehne. Er hat außerdem konkrete Verbesserungen angekündigt.

«Wir müssen als Bistum ehrlich sein: Es hat in der Vergangenheit in unserer Bistumsverwaltung massive Versäumnisse, bis hin zur aktiven Vertuschung gegeben. Die abscheulichen Taten von Priestern sind vertuscht, klein geredet oder durch Versetzungen und Lügen verheimlicht» worden. Den Opfern habe das Bistum oft keinen Glauben geschenkt. Dahinter habe auch die Vorstellung gestanden, «dass zuallererst die Kirche und ihre Priester zu schützen seien». Auch in jüngeren Jahren sei das Bistum «noch allzu oft von diesen Situationen massiv überfordert» gewesen. - Ruhrbischof Overbeck, seit 2009 Bischof in Essen

Overbeck hat angekündigt, er wolle die Betroffenen sowie auch die Kirchengemeinden im Ruhrbistum noch stärker in den Blick nehmen. Er will einen professionelleren Umgang mit dem Thema sexuellen Missbrauch, z.B. im Personalbereich und in der Kommunikation mit Opfern und betroffenen Kirchengemeinden.

Dazu soll es noch in diesem Jahr klare Regeln geben, wie das Bistum etwa Therapiekosten übernehmen und auch darüber hinaus «unbürokratische Hilfen» leisten könne. Da stünden viele Gemeinden noch am Anfang, hieß es von Overbeck. Die Studie schlägt zudem vor, dass in Zukunft betroffene Kirchengemeinden bei der Aufarbeitung mehr unterstützt werden sollten und Betroffeneninitiativen einen festen Etat für ihre Arbeit erhalten. Die Kirche solle ein Netzwerk mit externen Beratungsstellen aufbauen und dabei Täter- und Betroffenenberatung strikt trennen. Außerdem solle die Kirche die bisherige Form der Priesterausbildung überdenken und den Geistlichen im Alltag Supervision außerhalb der Kirche anbieten. Ein ähnliches Konzept verfolgt die evangelische Kirche in Essen schon seit dem letzten Sommer. Dort wird mit klaren Leitlinien mit Missbrauchsfällen gearbeitet.

Die umfangreiche Studie zu den Missbrauchsfällen kommt von dem Münchner Institut IPP und wurde unabhängig durchgeführt. Sie haben in der Studie die Fälle und den Umgang mit Missbrauch seit der Gründung des Bistum Essen bis heute zurückverfolgt.

Mahnwache in Essen vor Ruhrturm

Mahnwache in Essen gegen Missbrauch in der Kirche
Mahnwache in Essen gegen Missbrauch in der Kirche© Radio Essen/Kostas Mitsalis
Mahnwache in Essen gegen Missbrauch in der Kirche
© Radio Essen/Kostas Mitsalis

Während der Pressekonferenz im Ruhrturm gab es am Dienstag eine Mahnwache von Teilnehmenden der Maria 2.0-Bewegung, die auch allgemein als Kirchenstreik bekannt ist. Sie fordern eine richtige Aufarbeitung der Missbrauchsfälle und sagen alle Menschen, egal ob im Kirchenamt oder nicht, haben die gleiche Würde und müssen daher auch mit gleichem Recht behandelt werden. Schon in den vergangen Jahren gab es immer wieder Proteste und Mahnwachen, wenn neue Gutachten zum Missbrauch vorgestellt worden, zum Beispiel Anfang letzten Jahres vor dem Dom in Essen.

© Kostas Mitsalis / Radio Essen

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