Bistum Essen: Große Missbrauchs-Studie soll Fehler aufdecken

Das Bistum Essen will "alles aufdecken, was Missbrauch begünstigt hat". Eine neue Studie soll zeigen, welche kirchlichen Strukturen und Verantwortlichen in Essen sexuellen Missbrauch ermöglicht haben. Das Bistum fordert eine "komplette Kulturveränderung" und erwartet "viele Schmerzen und Unruhe" bei der Aufarbeitung. Trotzdem ist es ein wichtiger Schritt, für den es zwei große Aufrufe gibt.

© Sven Christian Schulz / Radio Essen

Missbrauch: Bistum Essen will Antworten

2018 hat die Missbrauchs-Studie der Deutschen Bischofskonferenz für große Diskussionen gesorgt. Erstmals wurden dort alle Zahlen deutscher Bistümer zusammengetragen, auch aus Essen. Doch was begünstigt Missbrauch und was kann die Kirche tun? Diese Fragen soll eine Studie des Instituts für Praxisforschung und Projektberatung (IPP München) beantworten. Sie befragt viele Opfer und Täter, um Tatverläufe zu rekonstruieren und herauszufinden, welchen Anteil etwa die Priesterausbildung hat. Außerdem gehen die Wissenschaftler der Frage nach, wie die Verantwortlichen im Bistum Essen mit Hinweisen auf sexualisierte Gewalt umgegangen sind. "Einen Giftschrank gab es auch bei uns", sagt Generalvikar Klaus Pfeffer im Gespräch mit Radio Essen. Doch diese Geheimakten sind zwischenzeitlich der Staatsanwaltschaft übergeben worden und stehen nun den Forschern zur Verfügung.

Bistum Essen: "Einen Giftschrank gab es auch bei uns"

Generalvikar Klaus Pfeffer fordert eine "komplette Kulturveränderung". Die Kultur des Schweigens, die laut den Wissenschaftler einer der Gründe für jahrelangen Missbrauch ist, müsse durchbrochen werden. Wie das gelingen kann, darüber erhofft sich das Bistum Essen ebenfalls eine Antwort aus der neuen Studie. Sie ist auf zwei Jahre angelegt und eine Veröffentlichung der Ergebnisse ist vertraglich festgehalten. So soll Vorwürfen entgegnet werden, die Kirche würde Missbrauch vertuschen. Die Wissenschaftler können bisher aber auch keine Vertuschungsabsichten erkennen und würden das Projekt sonst auch abbrechen, sagen sie gegenüber Radio Essen. Auch die Sexualmoral in der Kirche und der Priesterausbildung untersucht die Studie und Regelungen zum Umgang mit Missbrauchsvorwürfen und Tätern.

© Sven Christian Schulz / Radio Essen
© Sven Christian Schulz / Radio Essen

Aufruf: Betroffene sollen sich melden

Die Wissenschaftler sind für die Aufarbeitung auch auf die Mithilfe der Opfer angewiesen. Sie haben einen großen Aufruf gestartet: Opfer können sich für die Aufarbeitung der Fälle bei den Forschern melden - natürlich vertraulich. Dies geht über die E-Mailadresse aufruf@ipp-muenchen.de oder unter der Telefonnummer 0151-45729812. Außerdem sollen Betroffene auch im Begleitgremium vertreten sein. Dort sitzen neben Wissenschaftlern auch Vertreter aus dem Bistum. Betroffene, die daran Interesse haben, können sich an Begleitgremium@ipp-muenchen.de wenden.

Entschädigungen für Missbrauchsopfer: Gerechtigkeit durch Gleichheit

Am Rande des Gesprächs zur neuen Missbrauchs-Studie äußerte sich Bischof Overbeck auch zu den Entschädigungszahlungen für Missbrauchsopfer. Wie die Deutsche Bischofskonferenz entschieden hat, sollen diese auf dem Niveau gerichtlicher Schmerzensgeldentscheidungen liegen. "Damit eine gewisse Form von Gerechtigkeit durch Gleichheit hergestellt werden kann", so Bischof Overbeck. "Dass man mit Geld dieses Leid nicht aufwiegen kann, ist mir klar". Den Opfern sei es aber zunächst wichtig, überhaupt gehört zu werden und dann erst Geld als Anerkennung des Leids zu erhalten. Ruhrbischof Overbeck legt Wert darauf, dass sich die Höhe an der weltlichen Rechtsprechung bemisst - also den Schmerzensgeldentscheidungen von Gerichten. Eine entsprechende Tabelle geht bis 50.000 Euro. Die genaue Höhe der Zahlungen soll ein unabhängiges Gremium festlegen.

Generalvikar Klaus Pfeffer (Bistum Essen) © Sven Christian Schulz / Radio Essen
Generalvikar Klaus Pfeffer (Bistum Essen)
© Sven Christian Schulz / Radio Essen

Missbrauchsfälle im Bistum Essen

Seit der Gründung des Bistums Essen 1958 sind 63 Priester des sexuellen Missbrauchs verurteilt worden. Bei 43 Priestern war eine Aufklärung und Verurteilung nicht möglich, da sie inzwischen verstorben waren. Das Bistum Essen hält die Anschuldigungen aber für glaubwürdig. Aktuell gibt es einen weiteren Fall aus Bochum-Wattenscheid, bei dem das strafrechtliche- und kirchenrechtliche Verfahren noch läuft.

Mehr zum Thema bei Radio Essen:

Weitere Meldungen

skyline