Handgemacht aus Essen: Familienunternehmen und ihre Geschichten
Veröffentlicht: Dienstag, 22.10.2024 02:55
In Essen gibt es viele kleine Familienunternehmen - teilweise schon seit Jahrzehnten! Von Restaurants zu Handwerkern - wir haben mit den Inhabern über ihre persönlichen Geschichten geredet.

121 Jahre in Essen: Geigenbauer Bartsch

Seit 121 Jahren ist der Familienbetrieb Geigenbauer Bartsch in Essen. Der Betrieb an der Zweigertstraße, direkt neben dem Rüttenscheider Stern, hat in dieser Zeit hunderte Geigen, Celli und Bratschen gebaut. Repariert haben sie aber schon tausende Instrumente. Das Tagesgeschäft sind die vielen Reparaturen, sagt Junior-Chef Florian Bartsch. Er hat bisher erst 5 Geigen gebaut. Der 50-Jährige will aber auch ein Cello bauen, für sich selbst. Er spielt leidenschaftlich gern Cello.

Die vierte Generation soll nicht die letzte sein
Florian Bartsch leitet den Betrieb zusammen mit seinem 80-jährigen Vater. Der Senior hat in seinem Berufsleben etwa 100 Instrumente gebaut. Sein Sohn ist bei Nummer 5. Florian ist die vierte Generation. Sein Urgroßvater hat 1903 eine „Kunstwerkstätte für Geigenbau“ eröffnet. Seitdem ist der Betrieb im Familienbesitz. Auch Schwester Kathrin arbeitet im Geschäft, neben dem Rüttenscheider Stern. Der Juniorchef hofft, dass seine Kinder irgendwann ins Familiengeschäft einsteigen. Sie sind noch Teenager und haben viel Zeit zu überlegen, was sie beruflich mal machen wollen. Ihr Vater wird sie aber auf keinen Fall drängen, sagte Florian Bartsch im Radio Essen Interview. Die Werkstatt an der Zweigertsraße 8 hat bei Profi- und Hobby-Musikern einen sehr guten Ruf.
Seit 137 Jahren in Essen: Das Schuhhaus Austen
Seit fünf Generationen gibt es in Essen das Schuhhaus Austen. Sie verkaufen aber keine Schuhe, die gerade im Trend sind, sondern vor allem Einlagen und andere medizinische Produkte. Das Geschäft spricht vor allem Stammkunden an. Die kommen teilweise seit 40 oder 50 Jahren ins Schuhgeschäft.
"Für mich ist es natürlich schön, wenn man sieht, was die Familie vorher schon gemacht hat und man jetzt einsteigt und ein Teil davon sein kann", sagt Marco Hoberg, der inzwischen in der 5. Generation im Schuhgeschäft arbeitet.
Gerade auch während der Corona-Zeit hatte man als Geschäft keine Probleme, weil das Schuhhaus trotz der Corona-Regeln aufmachen durfte.
So sah das Schuhgeschäft früher aus
Schuhhaus in Essen sammelt Erinnerungen im Schuhkarton
Ina Hoberg ist in der 4. Generation im Schuhladen - sie hat einen ganzen Schuhkarton voller Erinnerungen an alte Zeiten gesammelt. Von alten Zeitungsartikeln über Bilder und Schilder vor der Tür ist da sehr viel dabei. Sie schaut sich manchmal auch die Bilder an, um zu denken, dass die Situation im Moment gar nicht so schlimm ist, wie sie scheint. Ina Hoberg sagt, man habe auch eine Verantwortung, wenn es das Geschäft schon so lange gibt:
"Opa, Uropa und Vater haben schon so viel da rein gesteckt. Wenn man überlegt wie viel sie über die Zeit auch durchgemacht haben, da wird man schon ein bisschen sentimental und überlegt."
In Essen überzeugt seit 40 Jahren ein Hochklasse-Italiener
Ein wenig wirkt Daniele Delle Vedove wie ein leidenschaftlicher Professor, wenn er über sein heißgeliebtes italienisches Essen spricht. Seit über 40 Jahren gibt es sein Restaurant "Da Daniele" im Essener Stadtteil Huttrop schon. Dort überzeugt es mit authentischen Gerichten, die nur aus den besten Zutaten bestehen - das Ganze hat dafür aber auch einen gehobenen Preis, der nicht für jeden etwas ist.
Schnell holt der gebürtige Italiener Vedove, der mit 22 Jahren nach Deutschland gekommen ist, Zutaten zu einem der Tische und zeigt sie mit voller Stolz. "Das findest du hier nur schwer", betont er immer wieder. Ob es Steinpilze sind oder eine ovale Zwiebel, die so groß ist wie ein Hand - für ihn ist vor allem die Qualität und der Geschmack seiner Zutaten wichtig. Kein billiger Preis.
"Ich bin Italiener und bin mit der Gastronomie groß geworden. Ich weiß, wie die Produkte riechen müssen. Wenn eine Traube einen bestimmten Geruch hat, weiß ich, dass sie reif ist. Das ist einfach in mir drin. Es ist alles eine Gefühlssache", spricht er über seine große Leidenschaft, die sich auch auf dem Teller niederschlägt.
Bei ihm haben in den vergangenen 40 Jahren schon so einige Menschen ganz klassisches italienisches Essen verspeist. Ob es Politiker, Bürgermeister oder Firmenchefs von größeren Unternehmen sind, die tief in der Nacht auf Servietten Vereinbarungen unterschrieben haben sollen - sie alle waren schon im "Da Daniele".
Das Restaurant aus Essen sieht italienisch pur aus
Die Gäste sorgen auch dafür, dass der eigentliche Rentner immer noch mit Herz und Seele sein Restaurant betreibt.
"Wir haben die besten Gäste, weil sie an den Speisen Spaß haben. Und das ist das, was uns motiviert, weiterzumachen", sagt er.
Und viele seiner Besucher kennt er in und auswendig, weil diese schon seit Jahren zu ihm kommen. Wer den ersten Schritt in sein Restaurant reinsetzt, dem wird schnell klar, wo er sich gerade befindet und was ihn erwartet: Überall im Restaurant stehen Weinflaschen, die Tische sind edel gedeckt und immer wieder sprechen der Inhaber und die Mitarbeiter italienisch. Es ist nicht nur das Essen, sondern auch der Flair, der ein wenig Italien nach Essen holt.
Und wie geht die perfekte Spaghetti Carbonara? "Natürlich ohne Sahne", sagt Daniele Delle Vedove. Und nicht mit Speck, sondern nur mit Guanciale, also Schweinebacke. Leidenschaftlich und philosophisch wird es auch, wenn er ein Tiramisu an den Tisch bringt und erzählt, worauf es ankommt. Sogar die Uhrzeit, wann das zubereitet wird, spielt für ihn eine Rolle. Nur morgens gelingt ihm das perfekte Tiramisu, abends sollte es nicht zubereitet werden.
Das "Da Daniele" in Essen-Huttrop ist ein Vollblut-Italiener, bei dem der Geschmack das aller wichtigste ist - und der Preis dafür auch schon mal ein wenig höher ist als man es von anderen Italienern kennt. Doch das macht sich dann auf dem Teller mit besonders leckeren Gerichten bemerkbar.
Trotz Krankheit und Familie: Die Geschichte vom Malerbetrieb Thom

In einem damaligen Lebensmittelladen in Rellinghausen ist jetzt der Malerbetrieb von Sven Thom. Sven ist gebürtiger Essener und hat sich vor zehn Jahren selbständig gemacht. Doch leicht hatte er es nicht.
Nachdem sein ehemaliger Arbeitgeber nicht mehr zahlungsfähig war, erhielt Sven die Diagnose Hautkrebs. Damals war er 35 Jahre alt. Für den Maler war das natürlich ein Problem, da er nicht nur die Sonne meiden musste, sondern durch die darauffolgende Therapie nicht mehr auf den Bau konnte. Er musste sich also etwas überlegen. Trotz des Schicksalsschlages entschied er sich dafür, sich selbständig zu machen. Im September 2014 gründete er darauf den Malerbetrieb Thom.
"Zurückblickend war es gar nicht so schlimm wie es sich jetzt anhört", sagt Sven im Radio Essen-Interview.
Auch seine Frau, Janine, stand in der Zeit hinter ihm. Jetzt sieht sie die ersten Schritte als "spannende Geschichte", aber es war natürlich auch eine Probe für die Familie: ihre Tochter war nämlich auch gerade auf die Welt gekommen. Sven hat seine berufliche Selbstständigkeit trotz Krankheit und neuer Ereignisse in der Familie geschafft.
Handwerk mit körperlichen Beeinträchtigungen
Sven Thom ist einer der Wenigen, der Arbeiter mit körperlichen Beeinträchtigungen eingestellt hat. Es arbeiten zwei Männer ohne Gehör bei ihm im Betrieb. Anfangs war es schwieriger, sagt Sven, da man sich erstmal mit Händen und Füßen unterhält. Die Gebärdensprache kann nicht jeder sofort lernen - aber das ist mit der aktuellen Technik auch nicht mehr zwingend notwendig. Die Arbeit läuft reibungslos und größtenteils ohne Probleme. Auch seine Kunden sind begeistert. Sven wird weiter nach Malern auch mit körperlichen Beeinträchtigungen suchen.
Maler in Essen beschreibt Job kuschelig
Noch denkt Sven nicht darüber nach, wer sein Unternehmen weiterführen soll. Mit seiner Tochter kann er noch nicht darüber sprechen, denn sie ist erst 12 Jahre alt. Auch im Malerhandwerk ist es schwierig Nachwuchs zu finden. Sven hat beispielsweise in diesem Jahr keine einzige Bewerbung bekommen. Dabei beschreibt er den Job selber als "kuschelig und nett" - vor allem wenn es bei Privatkunden familiär wird. Sven erhofft sich mehr Begeisterung bei jungen Menschen, denn für ihn funktioniert auch Arbeit und Familie gut im Malerhandwerk zusammen.
Auf der Autobahn kennengelernt: Anna und Stephan von der Goldschmiede Brauksiepe
Jetzt wird's elegant. Unsere Radio Essen Stadtreporterin hat das "Gold der Meisenburg" in Kettwig besucht. Die Goldschmiede Brauksiepe in Kettwig ist vor zwölf Jahren in das Gebäude gezogen, in dem vorher in einer Dampfkornbrennerei Alkohol hergestellt wurde. Gegründet wurde die Goldschmiede von Anna und Stephan Schneider. Und die beiden haben sich auf einer ganz außergewöhnliches Art und Weise kennengelernt.
Sie standen auf der Autobahn auf der A3 an einer Baustelle. Sie haben sich gegenseitig ins Auto geguckt und fuhren weiter - Stephan musste aber tanken. Er fuhr ab und Anna hinterher. "Ich wollte ihn unbedingt kennenlernen", verrät sie im Radio Essen-Interview. Sie haben Nummern ausgetauscht und dann kam eins nach dem anderen. Ein Jahr später hatten sie ihr erstes Date. Heute sind sie verheiratet. Anna kann das Grinsen kaum verstecken:
"Es war die tollste Begegnung meines Lebens!"
Moderne und Tradition in einer alten Brennerei
Anna ist seit über 20 Jahren Goldschmiedemeisterin und war erst in einer kleinen Schmiede in Burgaltendorf. Zufällig hat Stephan aber das Gebäude der Meisenburg in Kettwig gefunden. Der Charme der alten Brennerei hat ihn sofort fasziniert. Das Gebäude war zwar mehr als renovierungsbedürftig, aber das sollte sie nicht aufhalten. Stephan hat selber die Pläne für die neue Einrichtung mit designet und versucht eine moderne Atmosphäre inmitten der Tradition zu schaffen. Die Meisenburg ist über 200 Jahre alt und spricht eigene Geschichten. Eine davon erzählt uns Stephan.
Das Handwerk ist älter das Gebäude. In der Goldschmiede Brauksiepe wird fleißig geschliffen, poliert und gehämmert - und das alles hinter Glas, sodass jeder Kunde genau zugucken kann. Das ist das Herzstück des Ladens. Aber Anna betont auch, dass es für sie auch nicht leicht ist, Nachwuchs zu finden. Die Ausbildung dauert drei Jahre und Anna würde sich über mehr junge Leute freuen. Doch Stephan und Anna bleiben positiv. Sie leben stets nach ihrem Motto:
"Nicht das Maß der Zeit entscheidet, wohl aber das Maß des Glücks." - Fontane
Sie hatten Glück sich auf einer Autobahn zu finden, zusammen ein Unternehmen aufzubauen, zu heiraten und die Meisenburg zu finden. Ihre Geschichte ist gar von Glück geprägt.