Essen trifft Sachsen: „Industriegeschichten“ über den Strukturwandel

Ab Montag (2. Dezember) zeigt die Ausstellung Industriegeschichten auf Zollverein die Erfahrungen ehemaliger Industriearbeiter aus Sachsen im Strukturwandel. Persönliche Porträts und Filme erzählen ihre Geschichten.

© Radio Essen

Ausstellung in Essen: „Industriegeschichten. Reportagen aus Museen, die keine waren“

Auf dem UNESCO-Welterbe Zollverein gibt es ab Montag (2. Dezember) eine neue Ausstellung. Die Sonderausstellung „Industriegeschichten. Reportagen aus Museen, die keine waren“ beleuchtet den industriellen Wandel in Sachsen aus einer persönlichen Perspektive. Im Mittelpunkt stehen nicht die Maschinen, sondern die Menschen, die früher in Industriebetrieben arbeiteten und später als Museumsmitarbeiter ihre Erfahrungen weitergaben. Besonders ist dabei, dass der Fokus auf ehemalige Arbeiter aus Sachsen und nicht aus dem Ruhrgebiet liegt. Zu sehen sind großformatige Fotos, Zitate, Interviews und Filmmaterial von 15 Personen aus Sachsen, die ihre Erfahrungen mit der Deindustrialisierung und dem Wandel schildern. In der ursprünglichen Dresdner Ausstellung wurden 25 Protagonisten vorgestellt. Die Schau ist ein Gemeinschaftsprojekt von Fotograf David Brandt, Kulturmanagerin Cornelia Munzinger-Brandt, dem Regionalverband Ruhr (RVR), dem Ruhr Museum und der Stiftung Zollverein.

Strukturwandel in Essen - Einbruch in Sachsen

Der Strukturwandel ist im Ruhrgebiet, insbesondere in Essen, seit Jahrzehnten ein wichtiges Thema. Doch was wäre, wenn dieser Wandel nicht über 50 Jahre, sondern in nur drei Jahren stattgefunden hätte? Was für viele hier kaum vorstellbar ist, wurde für viele Menschen in Ostdeutschland nach der Wende Realität. In den neuen Bundesländern war der Strukturwandel weniger ein langsamer Prozess als vielmehr eine extreme, schnelle Transformation – oder sogar ein Einbruch.

Kurz vor der Wende 1989/1990 erlebte die Industrie in Ostdeutschland einen Boom. Es war eine Zeit voller Hoffnung und neuer Freiheiten, insbesondere in Sachsen. Doch kaum ein Jahr später brach alles zusammen: Bergbau, Elektroindustrie, Glashütten und Textilbetriebe wurden innerhalb kürzester Zeit flächendeckend geschlossen. Die Menschen, die gerade erst von der neuen Zukunft begeistert waren, standen plötzlich ohne Perspektive da.

Viele ehemalige Industriestandorte wurden zu Museen, in denen frühere Arbeiter weiterhin tätig waren und ihre Geschichten weitergeben konnten. Genau hier setzen der Fotograf David Brandt und Kulturmanagerin Cornelia Munzinger-Brandt an. In ihrer Ausstellung, die ursprünglich nur in Dresden gezeigt wurde, erzählen sie diese Geschichten. Ihr Ziel war es, zu zeigen, „wie es ist, in so einem Betrieb zu arbeiten und dann mitzuerleben, wie alles den Bach runtergeht“, sagt David Brandt.

„Es sind alles beeindruckende Geschichten. Sie sind uns mit ihren Biografien alle ans Herz gewachsen“, erzählt Cornelia Munzinger-Brandt im Interview mit Radio Essen."

Die beiden Verantwortlichen erhoben jedoch keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Vielmehr wollten sie möglichst viele Perspektiven, Orte und Geschichten einfangen – von Bergbauarbeiter Frank Arnold über Verwaltungsangestellte Rita Rißmann bis hin zur Kristallografin Elvira Rauch. Jeder sollte gesehen und gehört werden.

© Radio Essen

Industriekultur in Essen und Sachsen im Wandel

Cornelia Munzinger-Brandt und ihr Mann David Brandt starteten ihr Projekt im Jahr 2014 mit einem Film, für den sie über ein Museum Kontakte knüpften. Kurz nach der Veröffentlichung meldeten sich weitere Personen aus der Industrie, um ihre Geschichten zu erzählen. Die Ausstellung zeigt durch persönliche Porträts und Filme, wie ehemalige Industriearbeiter den Strukturwandel erlebten und aktiv mitgestalteten. Die Filme bestehen aus Interviews mit den Protagonisten sowie Bildern und Motiven, die ihre Erfahrungen mit Deindustrialisierung und Transformation verdeutlichen. Insgesamt entstanden 20 Filme mit 25 Protagonisten aus Sachsen. Die Ausstellung verbindet die Geschichte des Ruhrgebiets mit der sächsischen Industrie.

Nach dem großen Erfolg in den Technischen Sammlungen Dresden wird die Ausstellung ab Montag (2. Dezember) bis Anfang April 2025 auf der 24-Meter-Ebene der Kohlenwäsche in Essen gezeigt. Doch es war nicht der Erfolg der Ausstellung, der sie nach Essen brachte:

„Die Ausstellung ermöglicht uns einen ganz anderen Blick auf die Industriekultur. Die Menschen in Sachsen haben eine andere Sicht auf ihre Arbeit als hier im Ruhrgebiet. Trotzdem gibt es eine Verbindung zwischen ihnen“, erklärt Dietmar Osses, stellvertretender Museumsdirektor und Leiter der Ausstellungen, im Radio Essen-Interview."

Damit bietet die Ausstellung einen gelungenen Abschluss des Jubiläums 25 Jahre Industriekultur, das im Sommer auf Zollverein gefeiert wurde.

© Radio Essen

Mehr Nachrichten aus Essen

Weitere Meldungen

skyline