Mehr Fokus im Job: Erobern wir unsere Konzentration zurück!
Veröffentlicht: Montag, 20.10.2025 00:05

Digitale Arbeitswelt
Frankfurt am Main/Sauerlach (dpa/tmn) - Berufstätige kennen diese Situation: Der Bericht für die Chefin muss am Abend fertig sein. Doch alle paar Minuten geht eine Nachricht im Team-Channel ein, eine E-Mail springt auf oder das Smartphone brummt verführerisch – und schon sind wir raus. Ablenkungen und Störungen stellen die Konzentrationsfähigkeit zunehmend auf die Probe. Wie eine Untersuchung in den USA zeigt, mindert die bloße Anwesenheit des eigenen Smartphones die verfügbare kognitive Kapazität einer Person. Selbst dann, wenn das Telefon ausgeschaltet oder nicht benutzt wird. Moderne Technologien zielen darauf ab, unsere Aufmerksamkeit zu kapern. Nur zu gerne geben wir uns der Ablenkung hin. Woran liegt das? Und was empfehlen Experten, damit wir unseren Fokus im Beruf wiederfinden?
Bewusst Auszeiten einplanen
«In neun von zehn Fällen ist es so, dass Ablenkung von uns selbst ausgeht – wir möchten uns ablenken lassen», hält Henning Beck, Neurowissenschaftler, Science-Autor («Besser denken», Ullstein) und Podcast-Host («Klussmann und Beck – Das Duell der Besserwisser»), fest. Das ist nur menschlich. Ablenkungen geben dem Gehirn die Möglichkeit zu verdauen, was es jüngst verarbeitet hat. Kritisch sieht er zeitlich unbegrenzte Ablenkung. Das mache es schwer, zurück in die Arbeit zu finden. Beck empfiehlt deshalb, sich in Form von selbst gewählten Pausen bewusst in die Ablenkung zu begeben: «Auf fünf Teile Arbeit kommt eine Pause – das ist eine Faustregel.»
Auch Cordula Nussbaum betont, wie wichtig aktiv gewählte Auszeiten fürs Gehirn sind. «Pausen sind die beste Investition in unsere Konzentration», so die Coachin für kreatives Zeitmanagement, Bloggerin (Kreative Chaoten) und Sachbuchautorin («Die 1-Minuten-Strategie gegen mentale Erschöpfung», G|U). Das Mittagessen ausfallen zu lassen, um in der Zeit eine Aufgabe voranzutreiben - keine gute Idee. Damit lüge man sich in die eigene Tasche. «Es gibt Studien, die belegen, dass unsere Leistungsfähigkeit mit dem Auslassen der Mittagspause sinkt. Am Ende kostet uns das bis zu anderthalb Stunden», sagt Nussbaum. Sich diese Minusrechnung vor Augen zu halten, helfe beim Umdenken.
Schrittweise ans Ziel
Während über den Browser eine Textrecherche läuft, wird der Kalender mit Meeting-Terminen gefüttert. Parallel soll eine Präsentation fertig werden. Diese Gleichzeitigkeit widerspricht der Art menschlichen Denkens, erklärt Henning Beck. «Ein Hirn denkt nicht mit parallel geöffneten Fenster, sondern blockweise», sagt er. Versuchen wir, im Berufsleben, Aufgaben gleichzeitig zu bearbeiten, führt das zu einer zunehmend schlechteren Konzentrationsfähigkeit.
Beck rät deshalb, die eigene Arbeit klar zu strukturieren und das Ziel im Blick zu behalten: «Man muss sich klarmachen, was ist die Aufgabe, wofür mache ich sie gerade», sagt er. «Dann sollte man alle Aufgaben, die aufs Ziel hinführen, nacheinander abarbeiten.» Hilfreich sei es, nach dem Erledigen einer Aufgabe einen klaren Schlusspunkt zu setzen. «Stehen Sie beispielsweise einmal auf und laufen Sie fünfmal um den Schreibtisch», so Cordula Nussbaum.
Die eigene Verfügbarkeit reduzieren
Der Anspruch an sich selbst ist, sowohl privat als auch beruflich, immer erreichbar sein zu müssen. Das macht uns anfällig für Ablenkung. Um im Fokus zu bleiben, hält es Henning Beck für wichtig, Tätigkeiten zeitlich klar voneinander zu trennen. «Nehmen Sie sich zwei Phasen am Tag vor, in denen Sie ihre E-Mails bearbeiten – zum Beispiel morgens und abends – wenn möglich», so der Neurowissenschaftler.
Dass es bei der gezielten Reduzierung von Verfügbarkeit auch um Erwartungsmanagement auf Führungsebene geht, ist für Cordula Nussbaum eindeutig. «Die Teamleitung sollte klar formulieren, wie schnell E-Mails wirklich beantwortet werden müssen und bestenfalls Fokuszeiten vereinbaren, in denen Mitarbeitende die Chance haben, sich komplett auszuklinken, um längere Zeit am Stück ungestört an einer anspruchsvollen Aufgabe arbeiten zu können», so die Expertin für Zeitmanagement. Vormittags werden dann beispielsweise drei Stunden konzentriert gearbeitet, nachmittags sind Kommunikationszeiten.
Der Versuchung widerstehen
Handy weg – Fokus da: «Räumen Sie Ihr Smartphone außer Sichtweite, wenn Sie sich konzentrieren wollen», sagt Cordula Nussbaum. «Das führt nachweislich zu mehr Produktivität. Sie arbeiten dann schneller und fehlerfreier.» Am besten sei es, das Handy morgens im Büro gar nicht erst aus der Tasche zu nehmen. Chatprogramme wie WhatsApp und Social Media sprechen unser Belohnungssystem an. «Der Drang, nur mal kurz zu schauen, und die Angst, etwas zu verpassen, sind groß», so Nussbaum. Diesem Impuls geben viele nach.
Auch Henning Beck spricht sich deshalb für die Abwesenheit des Smartphones auf dem Schreibtisch aus: «Ich muss mir selbst die Möglichkeit nehmen, meine Sehnsucht nach Ablenkung zu stillen», so der Neurowissenschaftler. Wer doch mal der Versuchung nachgibt und aufs Handy schaut, sollte sich nicht verurteilen. «Viel wichtiger ist es wie gesagt, der Ablenkung klar ein Ende zu setzen und zur Arbeit zurückzukehren», sagt Beck.
Die Konzentrationsfähigkeit trainieren
Die Fähigkeit, länger am Stück fokussiert zu sein, lässt sich üben. Laut Henning Beck funktioniert für den Anfang ein Training mit kürzeren Phasen. «Sie nehmen sich zum Beispiel vor, 20 Minuten ablenkungsfrei an einer Aufgabe zu arbeiten und danach eine Pause zu machen», so seine Empfehlung. «Das ist einfacher und machbarer, als den ganzen Vormittag konzentriert arbeiten zu wollen.» Funktioniert es mit den 20 Minuten gut, das Zeitfenster auf 40 Minuten ausdehnen.
Cordula Nussbaum schlägt für eine kleine Fokusübung sogar ein noch kürzeres Zeitfenster vor. «Schauen Sie aus dem Fenster und nehmen Sie bewusst wahr, wie sich ein Baum bewegt – keine Chance. Der Geist schwenkt sofort ab», sagt die Coachin. «Aber zählen Sie dabei mal von 30 nach 0 runter. Und freuen Sie sich dann darüber, dass sie es geschafft haben, für einen Moment den Fokus zu halten.»