Deutschland unterstützt Trump-Plan für Verteidigungsausgaben

Informelles Treffen Nato-Außenminister
© Sebastian Christoph Gollnow/dpa

Ministertreffen in der Türkei

Antalya (dpa) - Deutschland stellt sich hinter die Forderung von US-Präsident Donald Trump nach einer massiven Erhöhung der Verteidigungsausgaben der Nato-Staaten auf jeweils fünf Prozent ihrer Wirtschaftsleistung. Man folge Trumps Einschätzung, dass dies notwendig sei, sagte Außenminister Johann Wadephul (CDU) bei einem Nato-Treffen in der Türkei. Zuvor hatte er dort erstmals seit Amtsantritt seinen US-Amtskollegen Marco Rubio getroffen und mit ihm auch die aktuellen Bedrohungen durch Russland thematisiert.

Derzeit sieht das Nato-Ziel für die Verteidigungsausgaben jährliche Ausgaben in Höhe von mindestens zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) vor. Deutschland erreichte es 2024 knapp - Staaten wie Italien, Spanien, Belgien und Luxemburg waren bis zuletzt aber noch weit davon entfernt.

Fünf Prozent für Verteidigung - Was würde Deutschland das kosten?

Nach Angaben von Kanzler Friedrich Merz (CDU) würde jeder Prozentpunkt mehr für Deutschland derzeit ungefähr ein Plus von 45 Milliarden Euro an Verteidigungsausgaben bedeuten. Bei fünf Prozent wären derzeit Ausgaben in Höhe von 225 Milliarden Euro pro Jahr notwendig. Dies wäre eine riesige Kraftanstrengung - selbst wenn künftig deutlich mehr Ausgaben für militärisch nutzbare Infrastruktur eingerechnet werden können. Zur Einordnung: Die gesamten Ausgaben des Bundeshaushalts beliefen sich im vergangenen Jahr auf rund 466 Milliarden Euro.

Wie eine solche Summe erreicht werden soll, ist völlig unklar, da es wegen der vorgezogenen Bundestagswahl nicht einmal einen Haushalt für das laufende Jahr gibt. Als mögliche Frist für die Erfüllung eines neuen Ziels für die Verteidigungsausgaben gilt das Jahr 2032. Geheimdienste gehen davon aus, dass Russland spätestens im nächsten Jahrzehnt in der Lage sein dürfte, in Europa einen weiteren Krieg zu beginnen.

Alles nur eine Definitionsfrage?

Bei der Erfüllung eines höheren Nato-Ziels könnte der neuen Bundesregierung helfen, dass auch die Definition von Verteidigungsausgaben erweitert werden könnte. Nato-Generalsekretär Mark Rutte schlägt vor, dass klassische Verteidigungsausgaben in Höhe von 3,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts ausreichen könnten, sofern auch noch 1,5 Prozent der Wirtschaftsleistung für militärisch nutzbare Infrastruktur ausgegeben werden. Das könnten etwa Investitionen in Bahnstrecken, Brücken oder Häfen sein.

Deutschland sei «entschlossen, dieses Bündnis stärker zu machen. Wir müssen eng zusammenstehen, gerade in dieser Krisenzeit», sagte Wadephul im Badeort Belek in der Nähe von Antalya. Nachdem man die Verfassung geändert habe, könne man für Verteidigung ausgeben, was nötig sei. Die Bundesregierung unterstütze den Rutte-Vorschlag vollständig. 

Die SPD wurde offensichtlich von den deutlichen Äußerungen Wadephuls überrascht. Finanzminister Lars Klingbeil räumte allerdings ein, dass im Koalitionsvertrag verabredet worden sei, dass man sich an die Nato-Fähigkeitsziele halten werde. Und nach Angaben aus Bündniskreisen leitet sich die Quote von 3,5 Prozent daraus ab. Höhere Infrastrukturausgaben sind ohnehin verabredet.

Wo das Geld herkommen könnte

In Deutschland war im Frühjahr - vor der Bildung der neuen schwarz-roten Koalition - beschlossen worden, einen bis zu 500 Milliarden Euro schweren Sondertopf einzurichten, mit dem die Instandsetzung maroder Infrastruktur angegangen werden soll. Mit der zeitgleich beschlossenen Lockerung der Schuldenbremse für Verteidigungsausgaben gibt es zudem zumindest eine Grundlage für eine deutlich höhere BIP-Quote.

Wie stark ist die Nato auf Trump angewiesen?

Die Nato will verhindern, dass sich die USA unter dem als unberechenbar geltenden Trump aus dem transatlantischen Verteidigungsbündnis zurückziehen. Denn ohne den atomaren Schutzschirm der USA und ohne die konventionellen militärischen Fähigkeiten des größten Verbündeten gilt das Bündnis nur als bedingt verteidigungsbereit.

Trump hatte schon in seiner ersten Amtszeit immer wieder die aus seiner Sicht unzureichenden Verteidigungsausgaben der europäischen Alliierten kritisiert und diesen vorgeworfen, sich zu sehr auf den Schutz der USA zu verlassen. Mehrfach drohte er dabei sogar mit einem Nato-Austritt der USA.

Rubio: Keine schwachen Glieder mehr

Trump will nun, dass sein Fünf-Prozent-Ziel im Juni beim Nato-Gipfel in Den Haag beschlossen wird. Von US-Seite wurde intern zuletzt damit gedroht, dass er ansonsten möglicherweise gar nicht anreisen könnte. US-Außenminister Rubio warnte in der Türkei, das Bündnis sei nur so stark wie sein schwächstes Glied. Deswegen bemühe man sich, keine schwachen Glieder mehr im Bündnis zu haben.

Das Rutte-Konzept greift diesen Gedanken auf, hilft aber auch jenen Staaten, die klassische Verteidigungsausgaben in Höhe von fünf Prozent für nicht erreichbar oder erwünscht erachten.

Nicht nur Raketen und Panzer

Der USA zeigten sich zuletzt offen für die Rutte-Lösung. Der amerikanische Nato-Botschafter Matthew Whitaker sagte kurz vor dem Ministertreffen in der Türkei, es sei ganz klar, dass es um mehr als nur Raketen, Panzer und Haubitzen, sondern auch um Dinge wie militärische Mobilität, notwendige Infrastruktur und Cybersicherheit gehe. Die Neudefinition würde auch den USA helfen, selbst auf die fünf Prozent zu kommen. Sie lagen bei den klassischen Verteidigungsausgaben zuletzt bei etwa 3,4 Prozent des BIP.

Und wie ist das Verhältnis Wadephul-Rubio?

Wadephul gab sich im Anschluss an die Begegnung mit Rubio hochzufrieden. «Wir haben eine fast vollständige Übereinstimmung in allen wichtigen Fragen, nicht nur die Nato betreffend, sondern auch die weltpolitische Lage betreffend, feststellen können. Das ist sehr erfreulich», sagte Wadephul. Die Amerikaner seien «sehr zufrieden mit dem, was Deutschland leistet», antwortete er auf eine Reporterfrage.

Was die Verteidigungsausgaben angeht, habe er Rubio deutlich gemacht, dass Deutschland bereit sei, «in eine Führungsrolle in Europa zu gehen, Vorbild zu sein und andere aufzufordern, uns zu folgen». Beide Seiten suchen nun nach einem Termin für einen Antrittsbesuch Wadephuls in Washington. Der dürfte nicht lange auf sich warten lassen - zumal auch Kanzler Merz demnächst zu Trump reisen will.

Konkrete Etappenziele könnten für Streit sorgen

An der genauen Ausformulierung des Fünf-Prozent-Ziels soll jetzt weiter in Brüssel gearbeitet werden. Nach der deutschen Zustimmung äußerten sich auch andere große europäische Nato-Länder in Belek grundsätzlich offen für den Rutte-Plan. Eine Quote von 3 bis 3,5 Prozent bei den Kernausgaben für Verteidigung sei das richtige Ziel, sagte etwa Frankreichs Außenminister Jean-Noël Barrot und betonte auch die Notwendigkeit zusätzlicher Infrastrukturausgaben.

Als möglicher Streitpunkt bis zum Gipfel gilt die Frage, ob für die nächsten Jahre feste Etappenziele vereinbart werden können - um zu vermeiden, dass Regierungen von Ländern wie Spanien in der Hoffnung auf einen Regierungswechsel in Washington im Jahr 2029 große politische Entscheidungen aufschieben. Rutte sagte dazu nach dem Nato-Treffen, aus seiner Sicht müsse es einen «glaubwürdigen Weg» in Richtung des neuen Ziels geben. Für die Nato gehe es darum, im Fall der Fälle eine Milliarde Menschen verteidigen zu können.

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F-35-Nachfolger
Von einer massiven Erhöhung der Verteidigungsausgaben dürfte auch die US-Rüstungsindustrie profitieren. (Archivbild)© Uncredited/U.S. Air Force/AP/dpa
Von einer massiven Erhöhung der Verteidigungsausgaben dürfte auch die US-Rüstungsindustrie profitieren. (Archivbild)
© Uncredited/U.S. Air Force/AP/dpa
Informelles Treffen Nato-Außenminister in der Türkei
Nato-Generalsekretär Mark Rutte hat vorgeschlagen, bei der Berechnung der BIP-Quote stärker auch Investitionen in militärisch nutzbare Infrastruktur zu berücksichtigen.© Khalil Hamra/AP/dpa
Nato-Generalsekretär Mark Rutte hat vorgeschlagen, bei der Berechnung der BIP-Quote stärker auch Investitionen in militärisch nutzbare Infrastruktur zu berücksichtigen.
© Khalil Hamra/AP/dpa
Umzug des Panzerbataillons 393
Um Truppen im Ernstfall schnell verlegen zu können, braucht es ein funktionierendes Schienennetz. (Archivbild)© picture alliance / dpa
Um Truppen im Ernstfall schnell verlegen zu können, braucht es ein funktionierendes Schienennetz. (Archivbild)
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