"Lauschgericht" in Essen: Warum sich Erwachsene vorlesen lassen sollten

Mitte November ist bundesweiter Vorlesetag. Das Bistum Essen feiert das mit dem "Lauschgericht". Warum sich auch Erwachsene etwas vorlesen lassen sollten, und warum lesen gesund ist.

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"Lauschgericht" in Essen geht zurück auf klösterliche Tradition

Herbst- und Winterzeit in Essen ist auch Lesezeit. Am 15. November wird das bundesweit mit dem Vorlesetag zelebriert. Das Bistum Essen macht mit - und zwar schon seit zehn Jahren mit dem "Lauschgericht". Dabei lesen Ehrenamtliche einer Gruppe aus einem Buch vor, während diese essen. So wurde das schon immer und wird es heute noch in Klöstern gemacht, erzählt Vera Steinkamp, die Leiterin des Medienforums des Bistums Essen. Mit dem "Lauschgericht" wurde diese Tradition in einen weltlichen Kontext transportiert.

Erwachsene in Essen lassen sich vorlesen

Beim "Lauschgericht" wird explizit nicht nur Schulklassen und Kita-Gruppen vorgelesen - denn Kindern wird ja in der Regel vorgelesen. Nein, es sollen auch Erwachsene profitieren: Mitarbeitende in Anwaltskanzleien, Banken oder Werbeagenturen. Oder Nachbarschaften, Häkelclubs, und Freundesgruppen. Und auch zum Beispiel die Häftlinge der Jugendarrestanstalt in Bottrop. Über 2000 Zuhörerinnen und Zuhörer kommen so im Bistum Essen zusammen. Um das Essen kümmern sich die Tischgemeinschaften, um das Buch die Vorleserinnen und Vorleser, die den Gruppen zugelost werden.

Besondere Art Texte zu erleben

Aber warum sollte ich mir als Erwachsene oder Erwachsener noch vorlesen lassen? Vera Steinkamp vom Medienforum hat darauf eine klare Antwort: 

"Ich nehme nochmal Akzente in einem Text war, die mir beim eigenen lesen gar nicht aufgefallen sind. Vorleserinnen und Vorleser gestalten Texte mit ihrer Stimme, mit ihrer Sprache, manchmal sogar mit ihrer Gestik, mit ihrer Mimik. Man macht Pausen, man baut einen Spannungsbogen auf. Und das ist nochmal eine andere, eine ganz schöne Erfahrung."

Wer Lust bekommen hat als Vorleser oder Vorleserin oder als Tischgemeinschaft beim "Lauschgericht" dabei zu sein, kann sich bis Montagmorgen (04. November) noch beim Medienforum melden. Die offizielle Anmeldefrist ist zwar schon vorbei, aber mit etwas Glück kommen vielleicht noch ein paar Vorleser-und Zuhörer-Duos zustande. Alle Infos zum "Lauschgericht" und zur Anmeldung gibt es hier.

Lesen ist Entschleunigung

Wer nicht mehr beim "Lauschgericht" in Essen dabei sein kann, muss nicht verzweifeln. Denn nicht nur sich vorlesen lassen ist etwas besonderes, sondern lesen an sich auch. Das ist nämlich gesund, sagt Vera Steinkamp.

"Alle Entwicklungen sind wahnsinnig schnell, wir sind immer nur im Effizienzmodus unterwegs, wir haben alle keine Zeit mehr zu verlieren. Kinder, Jugendliche und Erwachsene erleben das und erleiden das auch. Das Lesen von literarischen Texten aber vielleicht auch Sachtexten führt sicherlich dazu, dass so Erfahrungen von sich zentrieren, sich seiner Selbst zu vergewissern, eine Erfahrung von Entschleunigung gemacht werden kann."

Bistum Essen fördert das Lesen

Umso schlimmer also, dass laut der jüngsten IGLU-Studie jeder vierte Viertklässler in Deutschland nicht gut genug lesen kann. Das hat große Konsequenzen für das Lernen in der Schule, für die Berufsfindung und die politische Teilhabe später. Deswegen tut das Medienforum des Bistums Essen viel um aktiv dagegen zu steuern. Dabei helfen die über 100 öffentlichen katholischen Büchereien im Bistum. Dann können Kita- und Schulgruppen auch in die Bibliothek des Medienforums kommen und da lernen, wie eine Bibliothek funktioniert. Und jedes Jahr kommen noch spezielle Veranstaltungen dazu, die das Lesen fördern sollen.

So kann ich wieder mit dem Lesen anfangen

Wie kann ich - unabhängig von diesen Dingen - mein Kind oder auch mich selbst mal wieder zum lesen bringen? Natürlich hilft ein gutes Buch, das wirklich den eigenen Geschmack trifft. Vera Steinkamp rät aber auch klein anzufangen, zum Beispiel mit Kurzgeschichten. Dann schreckt man nicht vor der hohen Seitenzahl zurück. Manchmal braucht es aber auch ein bisschen Mut und Durchhaltevermögen, sagt sie. "So die ersten 30 bis 50 Seiten muss man manchmal auch einfach durchstehen und dann kann man wirklich Platz nehmen in einem Roman."

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