Stadt Essen: Shitstorm zu Corona-Formular erreicht Bundespolitik

Seit Mai kann man auf der Seite der Stadt Essen anonym Verstöße gegen die Corona-Regeln melden. Am Wochenende hat dieses Formular plötzlich einen Shitstorm ausgelöst, der für Schlagzeilen und Fernsehberichte gesorgt hatte. Jetzt steigt auch ein prominenter Bundespolitiker in die Kritik ein.

Das Bild zeigt einen Ausschnitt des Formulars, mit dem man in Essen anonym Verstöße gegen die Corona-Regeln melden kann.
© Screenshot von essen.de: Radio Essen

Stadt Essen in den Schlagzeilen: "Petz-Portal" und "Denunzianten-Formular"

Die Stadt kämpft gerade mit den Folgen eines Shitstorms in Zusammenhang mit dem Coronavirus. Sie hat seit Beginn der Pandemie ein Formular auf der Internetseite, mit dem man anonym Verstöße gegen die Corona-Regeln melden kann. Am Sonntagabend entwickelte sich darum in den sozialen Netzwerken plötzlich eine Welle der Empörung, mit dem Vorwurf man werde zum Denunzieren aufgefordert. Inzwischen berichten mehrere überregionale Zeitungen und Fernsehsender darüber. Es gab unter anderem Berichte auf N-TV, die Ruhrnachrichten schrieben von einem "Petz-Portal" der Stadt.

Kubicki: Essen hat "chinesische Verhältnisse"

Am Dienstag äußerte sich auch Bundestagsvizepräsident Wolfgang Kubicki von der FDP dazu. Er postete bei Facebook: "Chinesische Verhältnisse in Essen: Die Stadt Essen hat ein Internetformular erstellt, um Verstöße gegen die Corona-Verordnung melden zu können. Die Tatsache, dass Bürgerinnen und Bürger jetzt im amtlichen Auftrag zu Denunzianten gemacht werden und Fotos aus dem öffentlichen Raum hochladen sollen, erinnert an schlimmste Zeiten. Damit schiebt man Angst und Misstrauen in unsere Gesellschaft. Fehlt nur noch, dass die Abschnittsbevollmächtigten prozentual am Bußgeld beteiligt werden. Dieses Denunziationsportal ist mit Sicherheit rechtswidrig und sollte sofort gelöscht werden. WK"

Daraufhin reagierte der Gesundheitsdezernent der Stadt, Peter Renzel, ebenfalls bei Facebook. In seinem täglichen "Logbucheintrag" schrieb er zu der Debatte und dem Post von Kubicki unter anderem:

"Jetzt haltet aber mal bitte den Ball flach. Ich weise den Vorwurf, wir würden zum Denunzieren aufrufen, ausdrücklich zurück! Wir haben dieses Online-Formular entwickelt, damit wir die vielen Informationen, die an unser Ordnungsamt ungeordnet und ohne strukturell nachvollziehbare Fakten gekommen sind, besser kanalisieren und unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter entlasten können. Das dient überhaupt keinem "Denunziantentum". Wir haben dieses Formular auch überhaupt nicht beworben, sondern es ist ein Tool, das Unterstützung liefern sollte. Nicht mehr und nicht weniger.

Im Duden ist übrigens unter „Denunzieren“ sinngemäß nachzulesen!

„Jemanden öffentlich anprangern oder diffamieren, aus niederen Beweggründen anschwärzen ...“ Die Übersendung des Formulars ist weder öffentlich, noch sind die Beweggründe nieder, sondern sollen dem Schutz aller dienen! [...]

Sogar der Bundestagsvizepräsident Kubicki hat sich über seinen Facebook-Account eingemischt und der Stadt Essen „chinesische Verhältnisse“ unterstellt …. Ja, geht’s noch! Das ist völlig unter der Gürtellinie und seinem Amt als Vize des eines der höchsten Repräsentanten unseres Landes wahrlich nicht angemessen. Er hat zur Sache selber bisher übrigens weder bei uns nachgefragt noch versucht mit uns Kontakt aufzunehmen.

Herr Kubicki: Ich finde Ihren Post mehr als daneben. Sie sollten ihn löschen und sich entschuldigen. Oder vielleicht mal den Dialog mit den Repräsentanten der Stadt Essen suchen."

Shitstorm bisher ohne Konsequenzen

Unmittelbare Konsequenzen hat die Kritik an dem Online-Formular der Stadt bisher nicht. Ob der Shitstorm so plötzlich und Monate nach der Veröffentlichung des Formulars einfach entstanden ist oder möglicherweise bewusst provoziert wurde, zum Beispiel von Aktivsiten im Netz, ist ebenfalls noch nicht klar.

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