Stadt Essen bittet um Geduld bei der Einbürgerung - neue Antragswelle erwartet

Am 26. Juni tritt in Essen das neue Recht auf Staatsangehörigkeit in Kraft. Schon jetzt warten hunderte Essenerinnen und Essener auf ihre Einbürgerungsurkunde. Die Stadt hat aber weiter große Probleme in der zuständigen Behörde.

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Stadt Essen erwartet neue Antragswelle mit neuem Einbürgerungsgesetz

Bei der Stadt Essen gibt es in der Einbürgerungsbehörde ein Mailpostfach. In diesem Posteingang liegen etwa 13.000 Mails, die noch nicht bearbeitet wurden. Die meisten dieser Mails sind eine Anfrage für einen Termin bei der Einbürgerungsbehörde. Die Mitarbeiter haben Stichproben gemacht und gehen davon aus, dass etwa 8000 Mails solche Anträge sind. In den anderen Mails fragen verzweifelte Essenerinnen und Essener wahrscheinlich nach, wann ihr Antrag bearbeitet wird oder wann sie ihre Unterlagen einreichen dürfen. Außerdem sind noch rund 4900 Einbürgerungsverfahren aktuell in der Bearbeitung bei der Behörde. Allein das ist eine große Herausforderung. Der Ordnungsdezernent der Stadt Essen Christian Kromberg geht im Gespräch mit Radio Essen-Moderatorin Anna Bartl davon aus, dass weitere 25.000 Anträge auf Einbürgerung in den nächsten Monaten bei der Behörde gestellt werden, sobald das neue Staatsbürgerschaftsgesetz in Kraft tritt. Dann sind zwei Staatsbürgerschaften möglich. Bisher hat das viele davon abgehalten, die deutsche Staatsbürgerschaft anzunehmen.

"Wir müssen um Geduld bitten. Es wird Jahre dauern bis alles bearbeitet ist", sagt der Ordnungsdezernent

Seit Mai können Anträge auf Einbürgerung auch Online bei der Stadt eingereicht werden. Die Stadt verspricht sich davon, dass solche Anträge schneller und einfacher bearbeitet werden können.

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Einbürgerung: Türke in Essen fühlt sich ignoriert

Boran ist in Essen geboren, fühlt sich hier wohl und will auch hier bleiben. Seine Eltern kommen aus der Türkei, deshalb hat er einen türkischen Pass und die türkische Staatsbürgerschaft. Er arbeitet als Dolmetscher und hat in der Vergangenheit häufig für das türkische Konsulat gearbeitet und andere Behörden, deshalb war er vorsichtig und wollte erst einmal nicht die deutsche Staatsbürgerschaft annehmen. Inzwischen hat er seine Meinung geändert, er sieht keinen Nachteil mehr darin Deutscher zu werden. Also hat er 2021 um einen Termin bei der Einbürgerungsbehörde der Stadt Essen gebeten. Ein Jahr später hatte er den Termin und hat seine Unterlagen eingereicht. Er ist niemals straffällig geworden, verdient sein eigenes Geld, seine Kinder wachsen hier auf. Er ist der letzte in seiner Familie, der noch türkischer Staatsbürger ist. Manchmal machen die anderen schon Witze darüber. Er hat schon mehrmals versucht bei der Stadt Essen herauszufinden, wann sein Antrag bearbeitet wird. Das war immer erfolglos. Keine Antwort auf seine Mails. "Ich fühle mich willkommen hier, aber ignoriert." So erklärt er seine Lage im Interview mit Radio Essen-Moderatorin Anna Bartl.

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Anwältin in Essen kämpft gegen lange Wartezeiten bei Einbürgerung

In Essen ist Nadine Michels für viele Menschen zur Anlaufstelle geworden, wenn sie ihre Einbürgerungsurkunde bekommen möchten. Nadine Michels ist Anwältin für Arbeitsrecht in der Innenstadt. Zuerst hat sie einem Mandanten beim Zusammenstellen der Unterlagen geholfen und die für ihn bei der Einbürgerungsbehörde eingereicht. Der Antrag wurde relativ schnell bearbeitet. Der Mandant hat seine Erfahrungen mit Arbeitskollegen geteilt. Inzwischen hat die Anwältin an manchen Tagen mehr Termine zum Thema Einbürgerung als in ihrem eigentlichen Fachgebiet. Nach ihrer Erfahrung werden Anfragen von ihr relativ schnell beantwortet. Klagen vor dem Verwaltungsgericht gegen die Stadt Essen bringen aber nur wenig, weil auch das Verwaltungsgericht nur langsam voran kommt. Im Interview mit Radio Essen-Moderator Christian Bannier erzählt sie von ihren Erfahrungen und was es für die Menschen bedeutet, wenn sie keine Einbürgerungsurkunde und keinen deutschen Pass bekommen. Sie können nicht überall hin reisen oder bekommen nur schwer einen Kredit.

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Stadt Essen braucht noch Jahre, um alles abzuarbeiten

Die Stadt Essen hat in den letzten Monaten schon versucht, mehr Personal für die Arbeit in der Einbürgerungsbehörde einzustellen. Aktuell arbeiten dort 33 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, weitere 27 Stellen sollen in den nächsten Wochen besetzt werden. Dass dort mehr Menschen arbeiten, hat sich schon im letzten Jahr positiv bemerkbar gemacht. Die Stadt Essen hat mehr als 1700 Menschen eingebürgert, das waren 300 mehr als noch im Jahr 2022. Die Situation wird also etwas besser. Aber eine gut eingearbeitete Mitarbeiterin oder ein gut eingearbeiteter Mitarbeiter in der Einbürgerungsbehörde schafft 25 bis 30 Fälle im Monat. Wer noch nicht so gut in der Materie steckt, schafft etwa 10 bis 15 Fälle. Die Arbeit ist komplex und zeitaufwändig. Es müssen auch immer wieder Anfragen an andere Behörden gestellt werden, die Mitarbeitenden kommen nicht weiter, bis sie eine Antwort auf ihre Anfrage haben.

Klage gegen die Stadt Essen für schnellere Einbürgerung

Inzwischen klagen immer mehr Menschen gegen die Stadt Essen beim Verwaltungsgericht. Sie werfen der Stadt Untätigkeit vor. Genaue Zahlen kann das Verwaltungsgericht in Gelsenkirchen nicht nennen. Aber der Sprecher des Verwaltungsgerichtes, Wolfgang Thewes, erklärt auf Radio Essen-Nachfrage, dass die Zahlen weiter steigen werden und dreistellig werden können. Allerdings wird auch das Verwaltungsgericht mit den vielen Klagen nicht schneller voran kommen. Auch dort sind die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter irgendwann überfordert und können die Klagen nicht mehr rechtzeitig bearbeiten. Auch Nachfragen, Fristen von Anwälten können dann nicht mehr richtig bearbeitet werden. Die Bearbeitungszeiten am Verwaltungsgericht für solche Klagen werden also auch immer länger und können das Einbürgerungsverfahren nicht beschleunigen, sagt Wolfgang Thewes. Das Gericht fragt bei den Klagen bei der Stadt Essen, holt eine Stellungnahme ein, auch die muss er- und bearbeitet werden und braucht Zeit.

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