Macken in Essen: Eigenschaften unserer Eltern, die wir nie übernehmen wollten

Es geht früh ins Bett, alles auf dem Teller wird aufgegessen und solange wir die Füße unter dem Tisch unserer Eltern haben, müssen wir auch die schlechten Witze unseres Vaters ertragen. Unsere Eltern haben Eigenschaften, die wir bloß nicht übernehmen wollen. "So werde ich nie" - und plötzlich wird man älter und merkt: Mist, ich bin doch genau gleich. Woran das liegt, ob das überhaupt schlimm ist und was wir dagegen tun können.

Umfrage in Essen: Diese Eigenschaften habt Ihr übernommen

Das Phänomen, Eigenschaften der Eltern an einem Selbst zu entdecken, kennen auch viele hier bei uns in Essen. Besonders bewusst wird uns das wohl vor allem bei den Eigenschaften, die wir eigentlich nie übernehmen wollten. "Meistens sind es die Sprüche die man so kriegt. 'Solange deine Beine unter meinem Tisch sind, tust du was ich sagen'. Das hat man teilweise übernommen", sagt ein Essener bei einer Straßenumfrage zu unserer Radio Essen-Stadtreporterin. "Ich lege auch Wert darauf ein aufgeräumtes Zuhause zu haben. Zimmeraufräumen war früher nicht meine Lieblingsbeschäftigung, aber jetzt verlange ich das auch von meinen Kindern", sagt eine Essenerin. Aber wieso übernehmen wir die Eigenschaften, bei denen wir uns geschworen haben, es niemals zutun?

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Spielball zwischen Anlage und Umwelt

Die Wissenschaft streitet sich, ob wir eher vom Erbgut oder von Umwelteinflüssen geprägt werden. In der Kindheit werden wir wohl eher durch unsere Umgebung geprägt. Erst im Erwachsenenalter machen sich die Gene bemerkbar und setzen sich immer mehr durch. Dann treten auch die Eigenarten, die wir bei unseren Eltern ausgemacht haben, mehr und mehr bei uns auf. Aber auch das ist wohl kein unaufhaltsames Schicksal. Im fortgeschrittenen Alter lassen wir uns wieder mehr von unsrer Umwelt beeinflussen. Laut Professor Ernst Hany und Dr. Ulrich Geppert vom Max-Planck-Institut für Psychologische Forschung in München ist unsere Persönlichkeit in gewisser Weise ein Spielball zwischen Anlage und Umwelt. Aber wir können auch aktiv dagegen angehen.

Therapeutin in Essen behandelt übernommene Eigenschaften

Die Erfahrungen bei unserer Radio Essen-Umfrage zeigen: Ihr seid schon erfolgreich gegen viele Eigenschaften vorgegangen. Im Leben sammelt man ja auch eigene Erfahrungen und Kontakte, die weiter beeinflussen. Trotzdem ist es nicht immer ganz so einfach, sich von den elterlichen Eigenarten zu lösen, sagt Nicole Gerigk. Sie ist Verhaltenstherapeutin für Kinder, Jugendliche und Erwachsene in Rüttenscheid. Im Radio Essen-Interview erklärt sie, dass ein Modell-Lernen stattfindet. Dabei spiegeln wir das Verhalten unserer Eltern und können daher Verhaltensweisen übernehmen. Das ist ein unterbewusster Prozess. Verändern kann sich das in der Pubertät - Da finden wir unser eigenes Ich und schauen, ob wir so sein wollen wie unsere Eltern. Wir führen auf jeden Fall fort, was uns Sicherheit gibt, so die Therapeutin. Wenn dann aber im Laufe der Zeit doch mehr Eigenschaften durchkommen, kann man sich nur schwer davon lösen. Dafür kommen dann auch viele zu Nicole Gerigk in die Therapie.

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Therapeutin aus Essen: Eigenarten müssen nicht schlimm sein

Ist denn überhaupt schlimm wenn wir Eigenschaften unserer Eltern bei uns entdecken? "Nur, wenn man darunter leidet", sagt Verhaltenstherapeutin Nicole Gerigk. Wenn es einem mit den Eigenarten gut geht, sollte man sich nicht schlecht bewerten und über sich urteilen. Um doch eine Veränderung zu bewirken, muss erstmal ein Bewusstsein geschaffen werden.

Das ist der erste Schritt. Zu sehen: 'ich habe hier was übernommen - passt das überhaupt noch zu mir? Passt das überhaupt noch in die Zeit?' Und sich dann auch die Erlaubnis zu geben und zu sagen: 'okay, ich habe das jetzt übernommen, aber ich darf das auch hinterfragen.' Ich muss das nicht blind weitermachen, nur weil meine Eltern das gemacht haben.

Das fängt schon bei kleineren Veränderungen an. Wie schwer das ist und Tipps, wie man verhindern kann, den eigenen Kindern vermeintlich schlechte Eigenschaften weiterzugeben, hört Ihr im ganzen Interview mit der Verhaltenstherapeutin.

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