Essen: WM in Katar lässt Fußball-Herzen kalt

Sie ist höchst umstritten und das merkt man auch den Menschen aus Essen an: Die Weltmeisterschaft in Katar lässt viele Fußball-Herzen kalt. Von wenig Interesse bis Protest ist alles vorhanden. Radio Essen hat mit Essenern über das wohl umstrittenste internationale Turnier der Welt gesprochen.

© Radio Essen Antonia Weiß

Fanblogger verärgert: Rot-Weiss Essen muss Saison unterbrechen

Sie waren gerade so gut in Form in Essen. Jetzt müssen die Rot-Weissen eine Saisonpause für die Fußball-Weltmeisterschaft in Katar einlegen. Und das ist auch das, was RWE-Blogger Helmut Tautges alias Happo so richtig ärgert. RWE ist gut in die Saison der 3. Liga reingekommen und schlug sich erstaunlich gut in den vergangenen Wochen. Dass das nicht spurlos an der Mannschaft vorüber gehen wird - da ist sich Happo sicher:

"Die Karten werden völlig neu gemischt. Ich halte das für Wettbewerbsverzerrung. Natürlich kann man erst am Ende der Saison sagen, für wen das positiv war und für wen negativ."

Diese Weltmeisterschaft in Katar sei die Sache nicht wert, sagt der Fanblogger.

Fahnenkönig von Essen Altendorf reagiert mit Protest

Sonst hat er zu jeder Welt- oder Europameisterschaft die Rullichstraße in Essen-Altendorf zum Strahlen gebracht. Nicht umsonst wird Achim Klimmeck der "Fahnenkönig von Altendorf" genannt. Über die ganze Straße hinweg leuchteten alle zwei Jahre bunte Farben von Flaggen aller Nationen. Doch dieses Jahr ist alles anders. Denn mit dem Austragungsort Katar ist Achim Klimmeck so gar nicht einverstanden. Die Menschenrechtsverletzungen dort haben ihn zum Protest bewegt.

"Die Toten haben keine Stimme. Ich habe eine Stimme. Und deswegen habe ich sie erhoben."

Vermieter in Essen verbietet Protest-Banner

Lange durften die Banner mit den Botschaften für Menschenrechte aber nicht an seinem Mietshaus hängen bleiben. Die Wohnungsgesellschaft Allbau bat den Fahnenkönig, die Banner wieder abzuhängen. Gegenüber Radio Essen sagt der Allbau:

"Die Geschäftsführung der Allbau GmbH hatte entschieden, dass wir an unseren Gebäuden und auf unseren Grundstücken keine öffentlichen Bekundungen zu politischen, religiösen, diskriminierenden oder gesellschaftsfeindlichen Inhalten zulassen. Dies gilt für alle Mieterinnen und Mieter in gleichem Umfang, ungeachtet derer damit gegebenenfalls gut gemeinten Botschaften, die wir nicht werten wollen oder können. Wie wir als Allbau zu einzelnen Inhalten stehen, ist dabei nicht maßgeblich."

Solidarität der Nachbarn in Essen-Altendorf ist groß

Dass Achim Klimmeck die Banner wieder von der Hauswand runternehmen musste, hat auch seine Nachbarn nicht kalt gelassen. Sie haben ein Eigentumshaus und boten dem Fahnenkönig an, die Banner an ihr Haus zu hängen. Statt die WM zu verfolgen sind für Klimmeck dieses Jahr andere Dinge wichtig. Die Vorweihnachtszeit wolle er mit seiner Frau genießen, zum Beispiel auf einem Essener Weihnachtsmarkt: "Mit Currywurst und Pommes rot-weiß", sagt Klimmeck.

Motto in Essen: Inklusion statt Katar

Eigentlich würde zum ersten Deutschlandspiel im Wohnprojekt "Lüttringhaus all inclusive" in Essen eine große WM-Party steigen. Dieses Jahr ist jedoch alles anders, die Umstände in Katar "nehmen uns echt den Spaß an gemeinsamen WM-Partys", erklärt Bewohner Max Mühlenbeck. Im Wohnprojekt in Frohnhausen leben Menschen mit Behinderung, welche die Turniere normalerweise zum Zusammenkommen aller nutzen. Der Fußball leiste eigentlich einen großen Beitrag zur Inklusion, denn feiern und jubeln kann bekanntlich jeder, wie Franzi Walcher vom Wohnprojekt Radio Essen erzählt hat. In Katar seien die Bedingungen laut Max jedoch anders:

“Die behaupten zwar, dass die WM barrierefrei sein wird und sie Menschen mit Beeinträchtigung willkommen heißen, aber wer so über gleichgeschlechtliche Liebe und Diversität denkt, wird mit der Einstellung auch uns diskriminieren!”

Um seine Sichtweise auszudrücken, hat Max ein Plakat gestaltet, welches jetzt am Wohnheim hängt. Darauf zu lesen: “Wir stehen auf Menschenrechte und Inklusion, nicht auf Katar – kein Public Viewing 2022."  

Inklusion statt Katar in Frohnhausen

Amnesty International Gruppe Essen Süd: "Fußball und Menschenrechtsverletzungen trennen"

Die WM in Katar ist vor allem umstritten, weil die Arbeitsbedingungen beim Bau der Stadien katastrophal gewesen sind. Es ist sogar eine unbekannte Anzahl an Arbeitern gestorben, bei Unfällen oder durch Erschöpfung nach dem stundenlangen Arbeiten in der Hitze. Daher hat Radio Essen auch mit Werner Franzen, Sprecher der Amnesty International-Gruppe Essen-Süd, über die WM und die Vorwürfe der Menschenrechtsverletzungen gesprochen. Die Antworten überraschen: Amnesty International ruft nicht zum Boykott auf, aber dazu, aktiv zu werden und zum Beispiel an der Online-Petition teilzunehmen, die sich an die FIFA und die katarischen Behörden richtet. Dabei geht es darum, die Arbeiter und deren Familien zu entschädigen. Die Pressesprecherin von Amnesty International schaue sich sogar die Spiele an, sagt Franzen. Fußball und Menschenrechtsverletzungen sollten laut der NGO getrennt werden. "Wir sind für den Fußball, aber gegen Ausbeutung", sagt Werner Franzen im Radio Essen-Interview.

© Radio Essen Antonia Weiß

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