Tödlicher Polizeischuss in Essen: Fall Adel B. sorgt weiter für Diskussionen

Ein Jahr nach dem tödlichen Polizeischuss in Altendorf haben sich die Polizei und Staatsanwaltschaft in Essen nochmal gerechtfertigt. Die Ermittlungen im Fall Adel B. wurden schon letztes Jahr eingestellt. Demnach handelte der Polizist in Notwehr. Jetzt hat die Polizei neue Details geteilt. Der Anwalt der Mutter des toten Mannes will eine Anklage vor dem Oberlandesgericht erzwingen.

© m.mphoto - stock.adobe.com

Fall Adel B. in Essen: Polizei und Staatsanwaltschaft betonen Notwehr

Am Donnerstag (18.06.) ist es genau ein Jahr her: Adel B. läuft morgens mit einem Messer durch Altendorf. Er droht mit Suizid und damit seine Familie aufzumischen. Er läuft zum Haus seiner Lebensgefährtin und ihrer Kinder. Polizisten wollen verhindern, dass er zur Wohnung kommt. Eine Polizistin bekommt noch den Fuß in Tür. Adel B. soll mit dem Messer durch den Türspalt gestochen haben. Dann ist der tödliche Polizeischuss gefallen. Laut Staatsanwaltschaft hat der Polizist in Notwehr gehandelt. Der Fall sei minutiös aufgeklärt worden. "Nichts, aber auch gar nichts bleibt am Vorwurf hängen", hat die Staatsanwaltschaft am Dienstag (16.06.2020) nochmal betont.

Polizei Essen: Adel B. war wohl psychisch krank

Wer hätte Adel B im Vorfeld helfen können? Diese Frage stellt die Essener Polizei offen in den Raum. Die Polizei hat am Dienstag neue Details zu dem Mann bekannt gegeben: Demnach hatte Adel B. wohl ein psychisches Problem. Er war insgesamt in drei Einsätze involviert: am 09.06.2019, am 11.06.2019 und am 18.06.2019. Beim ersten Vorfall hatte er seiner Lebensgefährtin mit einem Messer gedroht und gesagt: "Ich steche dich ab." Die Frau konnte damals flüchten. Beim zweiten Vorfall drohte Adel B. mit einem Messer seinen Suizid an. Die Beamten konnten die Situation entschärfen. Der Mann wurde in eine LVR-Klinik eingewiesen. Am 18.06.2019 drohte er mit einem Fleischermesser wieder seinen Suizid an. Die Beamten haben vergeblich versucht, mit ihm zu reden und die Situation aufzulösen, sagt die Polizei. Bei den Vorfällen war auch viel Alkohol und Kokain im Spiel, heißt es.

Weitere juristische Schritte im Fall Adel B.

Die Staatsanwaltschaft Essen hat am Dienstag noch einmal gesagt, dass der Fall Adel B. für sie abgeschlossen ist. Der Anwalt der Mutter des toten Mannes sieht das anders. Er zweifelt, dass Adel B. überhaupt mit dem Messer Bewegungen gemacht hat. Selbst wenn, hätte der Polizist nicht auf den Oberkörper, sondern in die Beine schießen müssen, meint er. Er will eine Anklage vor dem Oberlandesgericht erzwingen. Die Frist dafür läuft Ende Juni ab. Nach Abschluss der Ermittlungen der Essener Staatsanwaltschaft hatte Ende Mai die Generalstaatsanwalschaft eine Beschwerde des Anwalts abgelehnt. Vor dem Oberlandesgericht in Hamm bleibt jetzt ein Klage-Erzwingungsverfahren als die letzte Option.

Demo gegen Polizeigewalt am Samstag in Essen

Aktivisten und Bekannte des Toten hatten den Schuss damals als Mord bezeichnet. Für diesen Samstag wurde eine Demo angekündigt - allgemein gegen Polizeigewalt und in Erinnerung an Adel B. Die Polizei rechnet mit gut 200 Teilnehmern. Sie prüft aktuell mit der Stadt wie die Demo in Zeiten von Corona stattfinden kann, ob es etwa einen Aufzug oder eine Kundgebung gibt.

Staatsanwaltschaft Essen räumt "einige Irritationen" ein

Im Fall Adel B. hatte es auch Widersprüche gegeben. In einer ersten Stellungnahme hatte die Polizei im Juni 2019 gesagt, dass Adel B. mit dem Messer auf einen Polizist zugestürmt war. In einem später aufgetauchten Video war allerdings zu sehen, wie drei Polizisten auf die Haustür des Hauses zustürmen. Die Staatsanwaltschaft räumt jetzt ein, dass die erste Stellungnahme der Polizei von damals falsch war. Es hätte Druck gegeben sofort zu reagieren, der entsprechende Beamte hätte aber nach bestem Gewissen gehandelt. Für die Staatsanwaltschaft war es nicht juristisch relevant diesen Kommunikationsfehler aufzulösen, heißt es am Dienstag (16.06.2020). Oberstaatsanwältin Anette Milk sagte dazu aber auch: "Vielleicht haben wir das nicht genügend erkannt, was das für die Öffentlichkeit gemacht hat."

Weitere Meldungen aus Essen


Weitere Meldungen

skyline