Verfassungsbedenken gegen Dienstpflicht

Die CDU beschäftigt sich mit einer Dienstpflicht nach der Schulzeit. Dafür spricht sie mit Experten in einem sogenannten Werkstattgespräch. Der Vorschlag: Schulabgänger sollen sich nach ihrer Schulzeit zu einem gesellschaftlich relevanten, gemeinnützigen Dienst verpflichten.

CDU spricht über Dienstpflicht für Schulabgänger

Berlin (dpa) - In der CDU-Zentrale befassen sich am Donnerstag (28. November) Experten in einem sogenannten Werkstattgespräch mit einem einjährigen Dienst für Jugendliche nach ihrer Schulzeit. Sie sollen in einem gesellschaftlich relevanten, gemeinnützigen Bereich arbeiten.

Gegen die von CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer ins Gespräch gebrachte allgemeine Dienstpflicht für junge Menschen gibt es Vorbehalte. Eine solche Pflicht wäre ohne Grundgesetzänderung wohl nicht möglich. Und die dafür nötige Zwei-Drittel-Mehrheit ist derzeit eher nicht absehbar.

Dienstpflicht bei der Bundeswehr oder Feuerwehr denkbar

Als Generalsekretärin hatte Kramp-Karrenbauer die Dienstpflicht ins Gespräch gebracht. Diese könnte nicht nur bei der Bundeswehr, sondern auch in der Pflege oder bei der Feuerwehr geleistet werden. Die CDU-Chefin warb in den Zeitungen der Funke Mediengruppe für eine breite Debatte darüber. Sie habe auf ihrer «Zuhörtour» innerhalb der CDU viel dazu gehört und vieles davon teile sie auch. «Für mich ist es auch ein zutiefst bürgerlicher Gedanke, seinem Land und der Gesellschaft etwas zurückgeben zu wollen.»

Kritik am Dienstpflicht-Modell

Der FDP-Fraktionsvorsitzende Christian Lindner sprach sich hingegen gegen ein solches Pflichtjahr aus. Der Staat «soll Freiheit garantieren und nicht als Vormund oder Erzieher auftreten», sagte er der Deutschen Presse-Agentur. Der FDP-Chef fügte hinzu: «Ein ganzes Lebensjahr junger Menschen würde verstaatlicht, nur damit die CDU sich parteipolitisch profilieren kann. Aus unserer Sicht verstößt eine Dienstpflicht gegen das Grundgesetz. Sie wäre auch volkswirtschaftliche Ressourcenverschwendung angesichts von Fachkräftemangel und demografischem Wandel.»

Skeptisch betrachtet wird der Vorstoß auch in der eigenen Partei Kramp-Karrenbauers. Die beiden stellvertretenden CDU-Vorsitzenden, die Ministerpräsidenten Armin Laschet (NRW) und Volker Bouffier (Hessen), gehen davon aus, dass die für eine Verfassungsänderung erforderliche Zwei-Drittel-Mehrheit nicht zustande komme. Sie sind aber nicht grundsätzlich gegen mehr Engagement junger Menschen für die Gesellschaft.

2011 war in Deutschland die allgemeine Wehrpflicht und damit auch der Zivildienst abgeschafft worden. Quasi als Ersatz für den Zivildienst wurde der Bundesfreiwilligendienst eingeführt. Zur Zeit engagieren sich in diesem Dienst nach Angaben des zuständigen Bundesjugendministeriums jährlich rund 40.000 Menschen, nicht nur Jugendliche.

Verfassungsänderung notwendig, aber fraglich

Der CDU-Abgeordnete Philipp Amthor sagte dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (Donnerstag) mit Blick auf eine Grundgesetzänderung: «Wir sollten uns keine Denkverbote auferlegen.» Es gehe weniger um eine tagespolitische Diskussion, als vielmehr um die berechtigte Frage, wie die CDU ihre Programmatik erweitern könne. Dazu könne gehören, «dass wir uns im weiteren Grundsatzprogrammprozess dafür entscheiden, in künftigen Koalitionen und in der Gesellschaft für eine solche Verfassungsänderung einzutreten».

Amthor räumte ein, dass Zwei-Drittel-Mehrheiten in Bundestag und Bundesrat «nicht über Nacht zusammenkommen» würden. Aber auch unterhalb der Schwelle einer Grundgesetzänderung gebe es durchaus interessant Alternativen - «etwa das von Volker Bouffier ... vorgeschlagene Modell eines freiwilligen Dienstjahres mit substanziellen Anreizen, etwa Vorteilen bei der Studienplatzvergabe».

Jens Kreuter, ehemaliger Bundesbeauftragter für den Zivildienst, sagte der «Stuttgarter Zeitung» (Donnerstag): «Mit einem gemeinnützigen Dienst könnten wir junge Menschen an den Gedanken heranführen, dass wir in einer Gemeinschaft leben, bei der sich die Verantwortung des Einzelnen nicht durch die Überweisung an das Finanzamt erschöpft.» Verfassungsrechtliche Einwände seien «nicht so gravierend, dass sie einem solchen Dienst entgegenstünden». Ein gemeinnütziges Dienstjahr könne jedenfalls «enorme Integrationswirkung entfalten».

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